Rezension

Aussergewöhnliche Geschichte

Die kleinen Wunder von Mayfair - Robert Dinsdale

Die kleinen Wunder von Mayfair
von Robert Dinsdale

Bewertet mit 4 Sternen

London im Jahre 1906, Cathy ist gerade einmal fünfzehn Jahre alt, als sie zugeben muss, dass sie schwanger ist. Ihre Eltern wollen sie deshalb in ein Frauenhaus geben, wo sie das Kind zur Welt bringen und nach der Geburt abgeben soll. Doch dann entdeckt Cathy eine Zeitungsannonce von Papa Jacks Emporium, dem schönsten Spielzeugladen Londons: »Fühlen Sie sich verloren? Ängstlich? Sind Sie im Herzen ein Kind geblieben? Willkommen in Papa Jacks Emporium.« (Zitat, Seite 24, Die kleinen Wunder von Mayfair). Kurzentschlossen läuft Cathy fort von daheim und findet einen Job im Spielzeugladen. Hier lernt sie nicht nur die Magie der Spielzeuge kennen, sondern auch Papa Jacks Söhne Kaspar und Emil und schnell fühlt sie sich nicht nur mit dem Laden verbunden.
Meine Meinung
Dieses Cover ist einfach nur absolut zauberhaft und es verspricht dadurch eine mindestens genau so zauberhafte, wunderschöne Geschichte. Ich war und bin nach wie vor ganz begeistert von diesem Cover und könnte es ständig betrachten.
Zu Beginn war ich wirklich gebannt von dieser magisch wirkenden Geschichte, die voller wunderschöner Zitate steckt, z. B. “Es ist alles eine Frage der Perspektive, verstehst du? Man kann die erstaunlichsten Dinge erreichen, wenn es einem gelingt, die Perspektive eines Kindes nicht zu verlieren.” (Zitat Seite 53, Die kleinen Wunder von Mayfair). Genau diesen sprachlichen Stil, mit einem gewissen melodischem Unterton, hält der Autor in seiner Geschichte. Dabei lässt er wirklich viele kleine Dinge geschehen, die den Leser zum Staunen bringen. Trotzdem ist es auch ein Buch der eher leisen Worte, selbst als aus der magischen Geschichte eine immer düsterer werdende Geschichte wird.
Wer lieber Geschichten mit viel Spannung, Tempo und Action mag, ist hier nicht unbedingt gut aufgehoben, wer sich allerdings darauf einlassen kann, die tieferen Bedeutungen der Worte zu verfolgen, wird hier eine Geschichte voller Wunder erleben. Allerdings ist durch den sehr ruhigen Grundton eine gewisse Aufmerksamkeit von Vorteil, denn ich habe mich immer mal wieder dabei ertappt, dass ich beim Lesen mit den Gedanken abschweifte.
Der personelle Erzähler in dritter Person klingt hier ein wenig wie ein Märchenerzähler, allerdings wird das Märchen, das sehr magisch beginnt, ernsthafter, düsterer und hat letzten Endes auch eine tiefere Moral in sich verankert. Ganz wichtig ist die Botschaft, dass man doch im Herzen ein Kind bleiben sollte, dass aber auch die Liebe zur Familie im Vordergrund steht und nicht der Neid und die Eifersucht. Ich könnte mir diese Geschichte, gerade in der Vorweihnachtszeit, als einen Film vorstellen.
Das Emporium, der Spielzeugladen, ist eine kleine Welt für sich. Kaum vorstellbar, aber die Bewohner der Hauses verlassen dieses kaum und bekommen nur wenig mit, was in der Welt um sie herum geschieht. Bis der erste Weltkrieg ausbricht und sie mit der Realität konfrontiert werden.
Die Charaktere scheinen zunächst eher oberflächlich zu sein, man sieht ihnen bei der Handlung zu und hat doch nicht den Zugang zu ihren Gefühlen und Gedanken und doch kommt so nach und nach immer mehr das Verstehen hinzu. Cathy ist einsam, hat auch Angst vor der Zukunft mit gerade einmal fünfzehn Jahren Mutter zu werden und das in dieser Zeit, war mit Sicherheit eine Herausforderung. Doch sie findet im Emporium nicht nur ein zu Hause, sondern auch ihre große Liebe. Kaspar, der so lockere, junge Mann, der von jedem gemocht wird und auch bei den Frauen einen Stein im Brett hat, steht im Gegenzug zu seinem ein Jahr jüngeren Bruder Emil. Dieser ist verbissen und auch wenn seine Spielzeuge technisch perfekt sind, erlangen sie nie die Magie, die die Spielzeuge in sich haben, die Papa Jack oder Kaspar bauen. Konflikte zwischen den Brüdern sind dadurch vorprogrammiert. Ganz besonders ans gewachsen ist mir Sirius, der kleine Patchworkhund mit der Aufziehschraube, der so wunderbar lebendig wurde. Auch sonst stehen hier die Spielezuge immer wieder im Fokus, wie z. B. auch die kleinen Zinnsoldaten, die so nach und nach ein Eigenleben entwickeln und dadurch einen großen Platz im Emporium einnehmen.
Mein Fazit
Eine magische Geschichte, die schon den gewissen Zauber der Weihnachtszeit in sich birgt, aber auch durchaus ernste, nachdenkliche Töne anschlägt. Ein Roman wie ein Märchen oder vielmehr wie eine Parabel, mit sehr vielen bildhaften Momenten, die eine tiefere Moral in sich birgt. Nicht immer einfach zu verfolgen, da der Grundton sehr ruhig bleibt und die Magie des Beginns immer düsterer und ernster wird. Eine aussergewöhnliche Geschichte, auf die man sich einlassen muss, die aber sehr lesenswert ist.