Rezension

Band 3 von Zafóns wunderbarem Barcelona-Zyklus

Der Gefangene des Himmels - Carlos Ruiz Zafón

Der Gefangene des Himmels
von Carlos Ruiz Zafón

Zum Inhalt: Band Drei von Zafóns Barcelona-Zyklus knüpft relativ direkt an die Erzählungen aus Band 2 („Das Spiel des Engels“) an. Das Buch spielt in zwei unterschiedlichen Zeit- und Handlungs-Strängen: die erzählerische Gegenwart spielt in den Jahren 1957/1958. Daniel Sempere führt gemeinsam mit seinem Vater, dem mittlerweile gealterten Sempere junior aus Band 2, die schon seit vielen Jahrzehnten im Familienbesitz befindliche Buchhandlung in Barcelona. Eines Tages betritt ein merkwürdiger und etwas unheimlicher Kunde die Buchhandlung und erwirbt eine sehr teure Ausgabe des „Graf von Monte Cristo“. Die Ausgabe widmet er mit einem Eintrag „Fermín Romero de Torres, der von den Toten auferstanden ist und den Schlüssel zur Zukunft hat“.
Daniel ist beunruhigt – erst recht, da sein bester Freund Fermín, der kurz vor seiner Hochzeit steht, seit Tagen und Wochen einen immer in sich gekehrteren und unruhigeren Eindruck macht. Als er ihm schließlich die Widmung im Buch des Unbekannten zeigt und seinen Freund zur Rede stellt, kann Fermín schließlich nicht mehr anders, als Daniel von einem Jahrzehnte zurückliegenden Geheimnis, welches Fermíns Geschichte mit dem Tod von Daniels verstorbener Mutter Isabella und dem Schriftsteller David Martín, Autor von „Der Schatten des Windes“, , verbindet, zu erzählen. Hier eröffnet sich der zweite Handlungsstrang, welcher  in den Kriegsjahren 1940/41 die gemeinsame Geschichte der beiden Männer – Fermín und David Martín – im Gefängnis im Kastell von Barcelona beschreibt. Damals gab Fermín dem Schriftsteller Martín ein Versprechen, das diesen fortan an die Familie Sempere binden sollte – lange, bevor Daniel die Bekanntschaft seines besten Freundes machte.
Eigene Meinung: Wie auch schon in den ersten beiden Bänden ist es Zafón sehr schnell gelungen, mich in die mystische und geheimnisvolle Welt seiner Bücher zu entführen. Dies liegt zu großen Teilen an seinen wunderbaren Schilderungen Barcelonas in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, sowie an den eindrucksvollen Beschreibungen der Buchhandlung Sempere, bei denen man den Geruch der alten Bücher wahrnehmen und das Knistern der Seiten hören kann. Gekrönt wird das Ganze natürlich vom geheimnisvollen Friedhof der Vergessenen Bücher – in jedem Buch Zafóns wünsche ich mir aufs Neue, diesen Ort einmal kennenlernen und ebenfalls ein Buch von dort „retten“ zu dürfen. Kurzum – Zafóns Bücher sind etwas, wo jeder Bibliophile ein Zuhause und einen Rückzugsort findet.
Angelegt sind die Romane aus der Barcelona-Tetralogie so, dass man im Prinzip jeden auch für sich lesen kann. Da sie sich jedoch recht stark aufeinander beziehen und zusammengefasst eine komplexe, Jahrzehnte umfassende Geschichte ergeben, ist der Lesegenuss meiner Meinung nach größer, wenn man sie in der richtigen Reihenfolge und mit nicht zu großen zeitlichen Abständen dazwischen liest. Die richtige Reihenfolge habe ich eingehalten – jedoch ist es schon mindestens zwei bis drei Jahre her, seitdem ich Band 2 „Das Spiel des Engels“ gelesen hatte. Immer wieder habe ich somit während des Lesens Zusammenhänge insbesondere aus Band 2 (Band 1 „Der Schatten des Windes“ wird zwar auch referenziert, steht aber weniger im Vordergrund) recherchiert und nachvollzogen, da ich gern das große Bild mit allen Zusammenhängen habe wollte.
Der Gefangene des Windes hat mir wie alle Bücher aus diesem Zyklus sehr gut gefallen, kommt aber meiner Meinung nach in die ersten beiden Bände nicht heran. Dies mache ich insbesondere an der Handlung fest, die zwar komplex und gut erzählt ist, jedoch für ein Buch von gut 400 Seiten meiner Meinung nach noch etwas umfangreicher hätte sein können.
Auch nutzt sich der Zafón-Effekt - der Zauber der verwunschenen Bücherwelt Barcelonas und die geheimnisumwitterten Figuren - in Band drei etwas ab. Der Roman hat mir somit hauptsächlich wegen seines Platzes innerhalb der übergeordneten Geschichte der Barcelona-Tetralogie gefallen, als alleinstehendes Buch hätte er mich vermutlich nicht völlig überzeugt.
Dennoch bin ich nach der Lektüre wieder gefangen und verzaubert von der Stimmung der Romanserie, so dass ich nun direkt im Anschluss den vierten und letzten Band des Zyklus „Der Fürst des Parnass“ lesen werde, ein kleines Wert von weniger als hundert Seiten, welches die drei vorhergehenden Bände miteinander verbinden soll.

Kommentare

Hansekatze kommentierte am 17. Mai 2015 um 13:13

Edit: Soeben habe ich gelesen, dass "Der Fürst des Parnass" nicht der VIerte Teil der Tetralogie ist, sonder dieser noch in Arbeit ist - Erscheinungsdatum noch unklar. Der "Fürst des Parnass" ist ein kleines Extra-Büchlein, welches Hintgrund-Informationen und die Entstehungsgeschichte des Friedhofs der Vergessenen Bücher liefert.