Rezension

Bedrückend, spannend, strahlend hell

Der Ketzer von Konstanz -

Der Ketzer von Konstanz
von Corinna Wolf

Bewertet mit 5 Sternen

Zur Zeit, in der man Jan Hus in Konstanz den Prozess machte, gab es drei Päpste: in Rom, in Avignon und in Konstanz, und auch der historisch nur mangelhaft aufgeklärte Leser (wie ich) begreift schnell, dass es beim Konzil in Konstanz hauptsächlich um Macht und Strategie ging, nicht um Theologie. Als Jan sich unter dem Geleitschutz des Königs auf den Weg nach Konstanz macht, um seine Thesen vor dem Konzil zu verteidigen, hat er keine Ahnung, wie sehr sich der gewaltige kirchliche Apparat im politischem Taktieren erschöpft. Erst in Konstanz wird ihm klar, dass ihm im Klerus niemand zuhören wird. Indessen findet er Zuhörer, wo er sie nicht erwartet hat ...

Jan Hus starb auf dem Scheiterhaufen. Das war auch schon alles, was ich vor der Lektüre dieses Buches über ihn wusste. Etwas beklommen fragte ich mich denn auch, als ich das Buch in den Händen hielt, warum ich es eigentlich überhaupt lesen wollte - der Feuertod ist nach wie vor die schrecklichste Todesart, die ich mir vorstellen kann. Aber vielleicht, so hoffte ich, handelt diese Geschichte nicht nur von Unerbittlichkeit und Grausamkeit, sondern auch von Menschlichkeit und Trost, dem Trost, den man dringend braucht, ein Thema wie dieses verdauen zu können. - Um es gleich vorwegzunehmen: ich wurde nicht enttäuscht.

Wobei es mir anfangs nicht so gefiel, dass die Erzählung mit Jan Hus‘ Todestag beginnt, um dann zur eigentlichen Romanhandlung ins Jahr 1414 zu springen, einem Zeitpunkt, zu dem der Protagonist bereits aus Prag verbannt worden ist (aber immer noch heimlich dort predigt). Im Nachhinein muss ich aber sagen: es war genau richtig so. Wenn ich also auch am Anfang ein bisschen Zeit brauchte, um in die Geschichte hineinzukommen, nichtsahnend, was da noch konkret auf mich zukam, aber mit dem dumpfen Gefühl einer Bedrücktheit, weil man als Leser weiß, der Mann läuft dem Tod direkt ins Messer, so verflüchtigte das alles sich bald - die Skepsis, die Bedrücktheit - und gab einer Intensität Raum, einem Glaubensfeuer, das mich fasziniert weiterlesen und bis zum Ende ausharren ließ. 

Corinna Wolf erzählt ein unvorstellbar schreckliches Schicksal als eine unvorstellbar mutmachende Glaubenserfahrung, fast wie eine Passionsgeschichte. Dieses Buch ist extrem. Extrem tief. Extrem wahrhaftig. Extrem berührend. Und klug und mit viel Liebe geschrieben. 

Gerne würde ich mehr über die wunderbaren Nebencharaktere dieses Ausnahmeromans schreiben, wie zum Beispiel die beiden reformationsgläubigen Ritter Wenzel und Pavel (übrigens beide historische Figuren), die mehr als einmal in einer ernsthaften Loyalitätsfalle stecken, aber ich möchte auch nicht zu viel verraten. Es ist jedem neuen Leser zu gönnen, möglichst unwissend an die Lektüre zu gehen und sich von der unausweichlichen Entwicklung der Handlung mitreißen zu lassen. 

Ich kann nur schwer in Worte fassen, was dieses Buch in mir ausgelöst hat. Aber ich bin dankbar, es gelesen zu haben. Es hat ein Leuchten, dass irgendwie - bleibt. 

 

 

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 01. Februar 2024 um 01:32

Toll. Ich setze es auf meine Leseliste!
 

Arbutus kommentierte am 01. Februar 2024 um 22:13

Super. Bin gespannt, wie Du es findest.