Rezension

Berührender Nachkriegsroman mit einigen Mängeln

Das Leben, das uns bleibt -

Das Leben, das uns bleibt
von Tanja Steinlechner

Bewertet mit 3 Sternen

Breslau Januar 1944. Die Russen kommen näher und es bleibt nur noch die Flucht, auch für Ruth und ihre Familie. Zurück bleibt die kranke Großmutter und Ilan, Ruths große Liebe.

Nach dem Krieg soll in Freiburg ein Neuanfang gelingen. Doch in den Köpfen der Menschen ist der Krieg noch präsent. Ruths Bruder Jo engagiert sich in der Hilfe für displaced people, voller Wut darüber, dass die Täter von damals unbehelligt weiter leben.

Die jüngere Schwester Gili beginnt als Schauspielerin zu arbeiten, geht ihren eigenen steinigen Weg und scherrt sich nicht um Konventionen. Ruths Mutter glaubt,  dass sie ein neues Leben beginnen kann, wenn sie die Vergangenheit leugnet - ihre jüdischen Wurzeln, den Tod des ältesten Sohnes und das Zurücklassen der eigenen Mutter.

Ruth hofft lange auf Ilans Rückkehr zu ihr, aber vergebens. Schließlich heiratet sie den Juwelierssohn Albert. Als sich herausstellt, dass Ruths Schwiegereltern Kriegsgewinnler sind, bekommt die heile Welt Risse.

Der Einstieg in Ruths Geschichte ist sehr emotional. Ihre Liebe zu Ilan und die erzwungene Trennung wird in  sehr  bewegenden Bildern geschildert. Ich konnte den Schmerz gut nachempfinden. Auch die Schwierigkeiten des Neustarts in Freiburg waren realistisch dargestellt und die verschiedenen Bewältigungsstrategien nachvollziehbar. 

Jo war zurecht wütend, weil es den Opfern des Krieges oft schlechter ging als den Tätern, die ihr altes Leben wieder aufnehmen konnten und einfach nur vergessen wollten. Gili will ihre Jugend nachholen , frei von Zwängen sein und den Krieg hinter sich lassen. Ruth wartet lange vergeblich auf Ilan. Dass sie dann einen anderen heiratet, habe ich gut nachempfinden können. was mich gestört hat, war die Haltung von Ruths Mutter, die weiterhin ihr jüdisches Erbe leugnet.

Bis zu diesem Punkt konnte mich der Roman fesseln. Die weiteren Geschehnisse nach Ruths Heirat waren für mich  oft unrealistisch. Nichts gestaltet sich in dieser Ehe ,wie erhofft . Ruth lässt sich treiben, wird nicht selbst aktiv. Die Familie wird angefeindet wegen der Umtriebe während des Krieges. Ruth bleibt passiv. Dann stirbt Ruths Mutter und Jo ist verschwunden. Und plötzlich nimmt Ruth ihr Schicksal selbst in die Hand. Auch das lässt sich noch mit gutem Willen erklären. Was  mich nicht überzeugen konnte, war die geradezu märchenhafte Lösung aller Probleme. Das passte für mich nicht zu den vorher glaubwürdig dargestellten Charakteren.

Trotzdem bietet der Roman gute Unterhaltung mit großen Emotionen. Und Ruth hatte sich auf jeden Fall ein Happyend verdient.