Rezension

Berührungen mit kleinen Schwächen

Vor uns die Dämmerung -

Vor uns die Dämmerung
von B. Celeste

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt: Wenn Emery in die Augen ihrer Mutter schaut, erinnert sie alles an den Tod ihrer Schwester Logan. Ihre Krankheit. Ihren Verlust. Daher zieht Em zu ihrem Vater und versucht einen Neustart. Aber egal, wohin sie geht: Logan bleibt immer bei ihr. Unter einem großen Ahornbaum, wo ihre Schwester begraben wurde, fühlt sie sich ihr besonders nah. Was Em nicht weiß: Auch ihr neuer Stiefbruder Kaiden sucht diesen Ort auf. Er ist wütend, abweisend und so unglaublich gutaussehend, dass Em an nichts anderes mehr denken kann. Als die beiden sich näherkommen, lernt Em Schicht für Schicht den wahren Kaiden kennen – und lieben. Aber was Kaiden nicht weiß: Em leidet an der gleichen Krankheit wie ihre Schwester …

 

„Vor uns die Dämmerung“ ist ein Liebesroman, der sich im primär mit den Auswirkungen einer Lupus-Erkrankung auseinandersetzt, an dem die Protagonistin Emery leidet. Sehr eindrücklich und lebensnah werden dabei die Beschwerden und Einschränkungen der Betroffenen geschildert. Dies sind Einblicke, die einem als Außenstehender oft verborgen bleiben, weshalb die Krankheitsauswirkungen in vielen Fällen vollkommen unterschätzt werden. Die Protagonistin Emery ist 19 Jahre alt, hat aber durch ihre Erkrankung schon sehr viel erleiden müssen. Hinzu kommt, dass ihre Mutter den Tod von Emerys Schwester Logan auch nach 10 Jahren nicht überwunden hat. Seit Lupus-Diagnose kämpft Emery daher nicht nur gegen ihre Erkrankung und um ihr Leben, sondern im Prinzip auch um ihre Mutter, deren Unterstützung sie dringend benötigen würde. Als sie zu ihrem Vater zieht, um ihrer Mutter Freiraum zur Heilung zu geben, lernt sie dessen neue Ehefrau und deren Sohn Kaiden kennen. Ihr Stiefbruder ist ein zunächst unangenehmer Charakter. Er ist wütend auf die ganze Welt, schroff und eigentlich fast schon unverschämt. In der Highschool kontrolliert er Schüler und Lehrer, zu Hause lässt er sich entweder nicht blicken oder verbreitet Ätz-Laune. Aufgrund dessen war es mir unverständlich, dass Emery sich ausgerechnet in ihn verguckt und mit ihm anbändelt. Im Verlauf zeigt sich jedoch, dass beide Charaktere sich aufeinander verlassen können und gegenseitig den dringend benötigten Halt bieten. Neben der Liebesgeschichte, die manchmal etwas verfahren auf mich wirkte, kommt es auch zur Konfrontation der Protagonistin mit einzelnen Familienmitgliedern, vor allem ihrer Mutter und ihrem Vater. Etwas anstrengend empfand ich, dass Emery sich immer zurücknimmt und das Gefühl hat, niemanden belasten zu dürfen. Diese Gefühlsregung ist zwar durchaus nachvollziehbar, macht es für alle Beteiligten aber noch schwieriger. Zumal ihre ärztliche Behandlung sich dadurch verzögert oder sogar ausbleibt. Grundsätzlich habe ich vermisst, dass sich mindestens Emery, wenn nicht sogar alle Familienmitglieder, in psychologischer Behandlung befinden. Eine psychologische Unterstützung nach einem Trauerfall oder zumindest für eine schwer chronisch Kranke wäre meiner Meinung nach das Minimum gewesen. Hier wurde überhaupt nicht Bezug darauf genommen, ob Emery so etwas angeboten wurde, ob sie es abgelehnt hat o.Ä., was mir sehr gefehlt hat.

 

ACHTUNG SPOILER: Zudem konnte ich nachvollziehen, aber dennoch nicht akzeptieren, wie man wahnsinnig Angst hat, an der Lupus-Erkrankung zu versterben, gleichzeitig aber jegliche Symptome ignoriert, um niemandem zur Last zu fallen und sie sicherlich auch selbst nicht wahrhaben möchte, um die Augen vor der Erkrankung zu verschließen. Denn hier fehlte definitiv ein Erwachsener in Form eines unterstützenden Elternteils – oder eine Psychologin! Man kann eine so junge Betroffene nicht einfach sich selbst bzw. dem Schicksal überlassen, zumal man in den USA, in dem die Geschichte spielt, erst ab dem 21. Lebensjahr mündig wird. Das Ende des Romans (ohne jetzt zu viel zu sagen), hätte bei einem reiferen Umgang und vor allem aufmerksamen Eltern, die ihre Aufgaben als Erziehungsberechtigte erfüllen, anders verlaufen können. Das hat mich etwas unzufrieden zurückgelassen. Die arme Emery wurde meiner Meinung nach von ihren Erziehungsberechtigten komplett im Stich gelassen.

 

Fazit: Mir hat gefallen, wie schonungslos offen die Autorin die Lupus-Erkrankung und ihre alltäglichen Herausforderungen darstellt. Mit dem melodischen, angenehmen Sprachstil konnte ich den Roman kaum noch aus den Händen legen. Allerdings war mir die Handlung an der ein oder anderen Stelle nicht nachvollziehbar und am liebsten hätte ich ein paar der Figuren „den Kopf gewaschen“. Nichtsdestotrotz ist „Vor uns die Dämmerung“ sehr lesenswert, berührend, lebensecht und vor allem informativ.