Rezension

Bildgewaltiger 5. Band der großen Kashmir Saga

Ein Lied in der Nacht -

Ein Lied in der Nacht
von Ingrid Zellner

Bewertet mit 4 Sternen

Ex-Agent Vikram Sandeep führt mit seiner Frau Sameera, Traumatherapeutin, das Waisenhaus Dar-as-Salam im politisch instabilen Kashmir. Als einer ihrer Schützlinge in einem Zeitungsartikel über eine hochrangige Persönlichkeit einen seiner Peiniger entdeckt, beschließen Vikram und Sandeep, gemeinsam mit ihrem Freund Raja Sharma, einem Kinderschänderring das Handwerk zu legen. Dabei geraten sie nicht nur in höchste Gefahr, sondern durch das Auftauchen eines Mannes aus Vikrams Vergangenheit scheint auch die tiefe Freundschaft zwischen den FAmilien zu zerbrechen ....

"EIn Lied in der Nacht" ist bereits der fünfte Band der KASHMIR-SAGA um das Waisenhaus Dar-as-Salam und die befreundeten Familien von Vikram und Sameera und Raja und Sita, in denen die beiden tollen Autorinnen Simone Dorra und Ingrid Zellner nicht nur eine tief emotionale Familiensaga ersonnen haben, sondern auch das ferne Kashmir mit seinen großen Problemen den Lesern näherbringen. Gerade die politische Instabilität, die Ablösungsbestrebungen von Indien und die daraus resultierenden Probleme verdienen ein Hingucken der westlichen Welt!
Natürlich lässt sich dieser Band auch lesen, ohne die vorhergehenden Bücher zu kennen; durch das Personenverzeichnis und die vielen Rückblenden und Gespräche ist das Geschehen absolut nachvollziehbar. Schöner ist natürlich der Einblick in das große Ganze, die ganzen Entwicklungen und Verflechtungen - und die bildgewaltige Saga verdient auch das Lesen der kompletten Reihe.

Langsam und ruhig beginnen die beiden Autorinnen diesen Roman, als das Schicksal von völlig unerwarteter Seite zuschlägt. Die scheinbare exotische Idylle, die der Leser begierig aufsaugt, schlägt schnell ins Gegenteil um und nichts bleibt, wie es ist. Besonders erscheint in diesem Band auch, dass die eingeschworenen Familien diesmal nicht nur gegen die bösen Mächte außerhalb kämpfen, sondern auch ihre Freundschaft, der sichere Boden der Saga, in Gefahr gerät. Dabei werden die Leser konfrontiert mit der Frage nach Schuld und Sühne und müssen sich hier auch mit ihren eigenen Einstellungen auseinandersetzen.

Und Simone Dorra und Ingrid Zellner können auch "Krimi" - wenn die Ermittlungen zur Zerschlagung des Kinderschänderrings in atemberaubender Spannung den Leser voran treiben!

Obwohl es sich um eine Familien-Saga handelt, steht für mich doch immer das Land Kashmir im Mittelpunkt - dieses fremde Land zwischen exotischer Schönheit und innerer Zerrissenheit, zwischen Moderne und Tradition, zwischen Menschlichkeit und unvorstellbarer Brutalität. DAbei haben die Autorinnen nicht nur sehr gut recherchiert, sondern lassen ihre eigene Liebe zu diesem Land in jeden Satz einfließen.

Zum Glück gibt es ein ausführliches Glossar am Ende des Buches, so dass die fremden Begriffe genau erklärt werden. Dennoch hatte ich auch immer wieder Lust, weiter zu recherchieren und mehr zu erfahren, so dass ich viel lernen konnte.

Das Thema "Kindesmissbrauch" ist für sich genommen sehr schwer zu verkraften, doch ersparen uns Dorra/Zellner oft die wirklich schmutzigen Details, so dass es aushaltbar bleibt, darüber zu lesen. Unfassbar, wie rückständig die Gesetzeslage dazu in Indien und Kashmir ist!

Die Figuren sind mit sehr viel Liebe authentisch und mehrdimensional gezeichnet und ich konnte mit allen mitfiebern und mitfühlen; alle scheinen mir lebensecht zu begegnen und in Gesprächen erscheinen sie wie gute Bekannte oder gar Freunde, und das erlittene Leid fühlt sich fast an wie eigener Schmerz. Sehr schön, wie sie sich auch mit den Büchern weiterentwickeln und immer wieder neue Facetten kenntlich werden.

Und nur deshalb verzeihe ich dem Autorinnenpaar den fiesen Cliffhanger, der mich schon wieder sehnsüchtig auf den 6. Band warten lässt!

Bildgewaltig, emotional, ergreifend, spannend, nachdenklich, lehrreich - natürlich muss ich da eine Leseempfehlung aussprechen!