Rezension

Blues Klänge, brechende Dämme und der Geschmack von Whisky

Das Meer von Mississippi -

Das Meer von Mississippi
von Beth Ann Fennelly

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wunderbar atmosphärisch dichter Roman über das Aufweichen von Dämmen, Gesetzen und Wahrheiten mit genauso viel Romantik und Spannung, wie es braucht, um darin abzutauchen.

Manche Bücher möchte man nicht verlassen. Als ich dieses zur Seite legte, hatte ich noch den Klang des Blues im Ohr, das Brennen des Whiskys auf der Zunge und den Geruch von fauligem Wasser in der Nase. Mein Herz war einfach noch nicht bereit ins Jetzt zurückzukehren.

Dabei hatte sich die Geschichte nur ganz langsam und auf Umwegen eingeschlichen. Noch zu Anfang hatte ich Schwierigkeiten mich auf die gemächlichen Erzählweise einzulassen und den Rückblicken zu folgen. Wohl, weil ich doch von Beginn an die massive Bedrohung des angeschwollenen Mississippis spürte und auch das Verschwinden der beiden Prohibitionsagenten ein Unheil ankündigt hatte. Ich war auf Action eingestellt und musste anstatt dessen erst den Blues lernen. Das hatte ich nicht erwartet. Aber so ist der Süden.

Die beiden Autoren nahmen sich Zeit, zeigten mir das Leben in der Kleinstadt Hobnob, den Alltag von Dixie Clay, die sich aufgegeben hatte in ihrer Ehe und alle Energie in die Whisky-Produktion steckte, und die gefährliche Arbeit und vertrauensvolle Partnerschaft der beiden Pohibitionsagenten Ham und Ingersoll, während die Wellen des Mississippi bedrohlich gegen die Dämme anrannten.

Die Geschichte spielt zum Zeitpunkt einer der größten Naturkatastrophen im Süden der USA, das Land war politisch bereit für einen neuen Präsidenten und bereit, das Alkoholverbot endlich aufzuheben. Gesetze scheinen auf dem Land eh nicht zu gelten und die Arbeit als Prohibitionsagent zu dieser Zeit war eine Gratwanderung zwischen Gesetz, Verbrechen, Gewalt und Bestechung.

Diese Zeit wird sehr eindrucksvoll zum Leben erweckt – mit Bildern, Gerüchen und Musik und den wunderbar detailliert ausgearbeiteten Charakteren - echte Menschen, mit echten Problemen und echten Träumen – und dem Geschmack von Whisky.

Immer mehr versank ich in das Leben von Dixie Clay und Ingersoll, erspürte ihre Sehnsüchte und Ängste und bekam Herzklopfen bei ihrem Kennnenlernen. Die unpassendsten Menschen treffen sich zum ungünstigsten Zeitpunkt könnte man meinen. Doch Sehnsüchte können Berge versetzten und Meere überqueren - genau das ist den Autoren in diesem Buch gelungen. Und so bibberte ich und betete, dass sich für die beiden alles zum Guten fügt und mein Herz blieb stehen, als der Damm bricht und alles im Chaos versinkt. Doch das Ende ist genauso, wie es diese Geschichte braucht – Blues im Ohr und die Hitze des Whiskys im Bauch.