Rezension

Im Meer des Lebens und Sterbens

Das Meer von Mississippi -

Das Meer von Mississippi
von Beth Ann Fennelly

Bewertet mit 4 Sternen

Im Frühjahr 1927 wurde der Südosten der USA von starken, nicht enden wollenden Regenfällen getroffen. Das Ganze mündete schließlich in einer verheerenden Jahrhundertflut, die eine Fläche von 70.000 km² in den Bundesstaaten Arkansas, Illinois, Kentucky, Louisiana, Missouri, Mississippi und Tennessee überschwemmte. Das Wasser blieb Monate und 700.000 Menschen mussten evakuiert werden. Die Auswirkungen hinterließen politisch und gesellschaftlich Spuren. Der damalige Wirtschaftsminister Herbert Hoover unter US-Präsident Calvin Coolidge leitete das Krisenmanagement und sicherte sich im Folgejahr den Sieg zur Präsidentschaftswahl. Doch besonders die Afroamerikaner wurden ausgebeutet in den Evakuierungscamps, Details dazu kamen nach und nach ans Licht und Hoover scheiterte schließlich bei seiner Wiederkandidatur 1932.

Das Grundthema dieses Romans ist unglaublich interessant, ich selbst hatte bis dato tatsächlich keinerlei Wissen über diese verheerende Flut. Ein Thema, das aber angesichts der Flutkatastrophe im Sommer diesen Jahres in Deutschland und Belgien leider mehr als aktuell ist. Das Autorenduo und Ehepaar Beth Ann Fennelly und Tom Franklin wählt diese historische Kulisse für ihren Roman und punktet mit guter Recherche und einem flüssigen Erzählstil, der es dem Leser leicht macht, tief in das Geschehen einzutauschen.

Die eigentliche Geschichte spielt sich in der kleinen Gemeinde Hobnob Landing ab. Mississippi unterliegt der Prohibition und so ist der Alkoholausschank illegal, eine Tatsache, die das Verbrechen der Schwarzbrennerei begünstigt. Jesse Holliver mischt dabei ganz vorne mit und seine Frau Dixie Clay ist die beste Schwarzbrennerin in der Region. Der Boom bleibt der Prohibitionsbehörde natürlich nicht verborgen und so schickt sie Agenten, um den Verbrecherring auszuheben. Doch diese verschwinden spurlos und so werden Ham Johnson und Ted Ingersoll von der Behörde gesandt, um diesen Fall zu lösen. Als Deich-Ingenieure getarnt kommen sie schließlich nach Hobnob Landing und geraten direkt an den Schauplatz eines Verbrechens. Neben den Leichen von erschossenen Plünderern finden sie ein Baby, das das Massaker überlebt hat. Ingersoll, der selbst in einem Waisenhaus großgeworden ist, bringt es nicht übers Herz das Kind im nahegelegenen Heim, das gerade evakuiert wird, abzugeben und findet in Dixie Clay Holliver, die vor Jahren ihr eigenes Kind verloren hat, eine willige Ziehmutter. Ohne zu ahnen, wer sie ist und wie eng sein Auftrag mit ihr und ihrem Mann verknüpft ist, überlässt er ihr das Baby.

Und so verfolgt der Leser mehrer Handlungsebenen, die jede für sich wirklich gut durch den Roman mit Krimi-Noir-Tendenzen tragen. Die Protagonisten sind gut gezeichnet, haben allesamt ihr eigenes Päckchen an Vergangenheit, das sie gut geschnürt mit sich herumtragen und dessen Inhalt sich dem Leser nach und nach offenbart. Verlorengegangene Träume, Ausbeutung, Betrug, Mord, Attentate, Kriegstraumata, seelische Verletzungen, Überlebenswille, Freundschaft, Glaube und natürlich Liebe – das alles findet man hier, wohl gebettet in ein toll beschriebenes Setting. An Spannung mangelt es zu keiner Zeit, das Erzähltempo und die Atmosphäre sind perfekt abgestimmt. Einziger Wermutstropfen: Die Handlung ist hier und da etwas vorhersehbar, die Figuren unterliegen in ihren Handlungsweisen doch dem ein oder anderen Klischee und das Ende ist vielleicht ein wenig zu perfekt weichgezeichnet.

Fazit

Eine lesenswerter Roman mit realem historischem Hintergrund und Krimi-Noir-Touch, der mich sehr gut unterhalten hat. Dem Autorenduo gelingt es perfekt, den Leser in die 1920er Jahre von Mississippi zu versetzen und die Spannung konstant aufrecht zu erhalten, ohne dabei aber auf das rechte Maß an Gefühl zu verzichten. Lesenswert. Und ich freue mich diebisch, dass ich von Tom Franklin noch ein Buch ungelesen hier habe.