Rezension

BORDIEU SITZT MIT AM TISCH UND SCHMUNZELT…

Kochen im falschen Jahrhundert -

Kochen im falschen Jahrhundert
von Teresa Präauer

Bewertet mit 4 Sternen

Kochen im falschen Jahrhundert liest sich wie ein zeitgenössischer Theaterabend. Moderne Distinktionsmechanismen über Essen, Trinken, Wohnen und auch das Sprechen werden von Präauer sehr amüsant und gleichzeitig erbarmungslos seziert. Die HauptdarstellerInnen in diesem Kammerspiel sind allen voran, die nicht näher bezeichnete Gastgeberin, ihr Partner, der wiederum primär mit seinem Smartphone eine Partnerschaft führt, ein befreundeter Schweizer, seines Zeichens Universitätsdozent und betonter Antikapitalist in Funktionskleidung, sowie ein Ehepaar. In der Nebenrolle ein amerikanisches Paar, eine Zufallsbekanntschaft des Ehepaares am frühen Abend. Trotz unterschiedlicher Herkunft und Sozialisation bewegen sich alle Figuren zum Zeitpunkt, zu dem sie um den neuen großen dänischen Holztisch sitzen, in einer Blase der gebildeten, betont unangestrengten, wohlhabenden, großstädtischen Schicht. Hier ist Inszenierung alles, wird jedoch nie so genannt oder überhaupt reflektiert. Man wurde vom Leben großzügig bedacht und gibt diese Großzügigkeit gern zurück. Und stellt dies gerne aus. Die bunten Wiesensträuße, die in diesem Milieu gerade angesagt sind und auch die Gastgeberin zur Deko gewählt hat, sind somit nicht etwa das Ergebnis eines ausgedehnten Spaziergangs in der Natur sondern wurden aus dem Großstadtblumenladen eigens kuratiert, um eben ersteres zu inszenieren. Doch wo bleibt das Ich und das Authentische in der Welt-Sein, im Moment-Sein, in dieser Inszenierung? Wo die Freude beim Betrachten der Wiese, dem Pflücken der Blumen, die Zeit in der Natur, die der mitgebrachte Strauß früher konserviert hat? Präauer führt der Moderne einen Spiegel vor, die eine eigene Welt in sozialen Medien geschaffen hat und dabei nicht selten das Leben dabei vergisst.

Soziologische Theorie übersetzt in Literatur, Kammerspiel, leckeres Essen, all das vereint dieser Roman und macht ihn zum Genuss. 

Einen Punkt Abzug gibt es für kleinere Logikfehler im Ablauf, was der Qualität des Buches angesichts der inhaltlichen und sprachlichen sehr guten Umsetzung jedoch keinen wesentlichen Abbruch tut.