Rezension

...charmante Krimi-Kost mit lebenserfahrenen Held*innen!

Der Wintermordclub -

Der Wintermordclub
von Jan Beinssen

Jung, dynamisch, durchtrainiert und analytisch-hochintelligent: So sind…

…diese Ermittler nicht. Vielmehr trifft hier eher der Satz „Je oller umso doller!“ absolut ins Schwarze. Wer braucht schon hyper-perfekte, makellose Superschnüffler? Ich mit Sicherheit nicht!

In einem kleinen französischen Hotel trifft sich jedes Jahr im Dezember eine Gruppe ehemaliger Ermittler: Polizisten, Detektive, eine Kriminalistikprofessorin und ein Gerichtsmediziner. Die Hotelleitung organisiert stets ein Krimidinner, an dem die ergrauten Profis zwischen Punsch und Plätzchen ihre Fähigkeiten vor dem Einrosten bewahren. Doch als sie im Weinkeller die vermeintliche Leiche finden, stellt sich heraus, dass dort ein echter Toter liegt! Die pensionierten Profis lassen kein gutes Haar an der Arbeit der herbeigerufenen Polizei. Ganz klar: Sie müssen selbst ran!

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

Autor Jan Beinßen präsentiert uns eine vielschichtige Schar außergewöhnlicher Protagonist*innen, die alle schon bessere, glorreichere Zeiten erleben durften. Allesamt sind sie über dem Status der „Best Ager“ hinaus, versuchen dies allerdings höchst amüsant vor ihren Freunden zu verschleiern. Dabei wissen alle Bescheid, doch schweigen aus Angst, dass die eigene mühsam verputze Fassade weitere Risse bekommt.

Beinßen überzeugt mit einem kurzweiligen Krimi voller Ungereimtheiten, die er erst nach und nach aufschlüsselt. In kurzen Kapiteln springt er von Protagonist*in zu Protagonist*in, um so aus den individuellen Blickwinkeln die Geschehnisse zu beleuchten, und erlaubt uns so, einen detaillierten Einblick in die jeweiligen Gedanken und Seelenzustände zu erhaschen.

Dabei knüpft der Autor immer wieder Flashbacks aus der Vergangenheit in die Handlung ein, um so die Umstände zu erläutern, die zum jährlichen Treffen dieser außergewöhnlichen Ermittler-Truppe geführt haben. Als sie alle noch im vollen Saft ihrer Schaffenskraft standen, gehörten unsere Senioren einer internationalen Elite-Einheit an, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, einen der größten Drogen-Bosse Europas dingfest zu machen. Dies sollte ihnen erfolgreich gelingen und bei jeder/jedem für einen enormen Karriere-Schub sorgen. Doch niemand konnte damals ahnen, dass dieser Erfolg auch noch Jahre später Einfluss auf ihr Leben nehmen würde.

Anfangs verwirrte mich dieses „Bäumchen Wechsel dich“ der Sichtweisen in Kombination mit den Einschüben aus der Vergangenheit. Ich benötigte ein wenig Geduld, um nachvollziehen zu können, dass der Autor diesen Trick anwendet, um beim Leser für ein Höchstmaß an Verwirrung zu sorgen: Jede*r versucht, etwas zu verheimliche! Jede*r hat eine Leiche im Keller versteckt! Jede*r könnte somit auch die/der Täter*in sein!

Bei diesem ausführlichen Katz-und-Maus-Spiel bleibt die Spannung zwar ein wenig auf der Strecke, doch dies verzeihe bzw. übersehe ich gnädig. Dafür überraschte mich Beinßen immer wieder mit unvorhergesehene Twists. Auch schenkte er uns einen charmanten Krimi mit amüsant-kauzige Held*innen, die alle ihre Ecken und Kanten und somit menschliche Schwächen haben und die eine oder andere altersbedingte Blessur erkennen lassen. Besonders die Szenen, in denen die Masken fallen und mitfühlend-freundschaftlich anstatt professionell-distanziert miteinander umgegangen wird, wissen zu berühren.

Denn: Bei diesen Held*innen liebe ich sehr die Perfektion im Unperfekten!!!