Rezension

Chiune Sugihara alias "Sempo" - letztlich anerkannt als "Gerechter unter den Völkern" in Yad Vashem...

Codename: Sempo -

Codename: Sempo
von Andreas Neuenkirchen

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eine Ehrung in Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" - der Abschluss eines Lebens, das hier recht sachlich geschildert wird...

Als Biografie angelegt hat Andreas Neuenkirchen die Schilderungen der Stationen des Lebens des Japaners Chiune Sugihara. Vor allem im ersten Drittel erschwerte mir die Darstellungsweise den Zugang zu dem Buch - eine schier erschlagende Informationsflut mit einer Ansammlung von gefühlt zahllosen Fakten, Namen, Ereignissen ließ die Person Chiune „Sempo“ Sugihara lange eher in den Hintergrund treten. Doch ganz allmählich gewann die Figur an Facetten, ebenso wie bei einigen Mitgliedern seiner Familie. Dennoch blieb die Darstellung stets distanziert.

Die im Klappentext angedeutete Rettung von tausenden von Juden spielt in der Biografie selbstverständlich eine bedeutende Rolle, wird jedoch eingebettet in den gesamten Lebenslauf des Japaners. Schon als Kind zeigte sich seine Sprachbegabung ebenso wie seine Haltung, nicht immer den Erwartungen anderer entsprechen zu wollen, wenn dies gegen seine innerste Überzeugung war. Als Agent/Spion operierte Chiune Sugihara an verschiedenen Einsatzorten, und Andreas Neuenkirchen versäumt es nicht, den jeweiligen Auftrag in Zusammenhang mit der jeweiligen politischen Lage der Länder zu setzen.

 

"Außerdem wurde ein Gesetz zur Bekämpfung von Gedankenkriminalität erlassen, welches das Motiv höher ahndete als die eigentliche Straftat und es schließlich sogar erlaubte, vermeintliche Gedankenverbrecher festzunehmen, bevor sie eine Straftat begehen konnten." (S. 84). 

 

So erhält man hier auch einen groben Überblick über das Gesamtgeschehen während des 2. Weltkriegs, schwerpunktmäßig im Osten Europas. Im Rahmen seiner offiziellen Arbeit als japanischer Vize-Konsul in Litauen rettet Siguhara schließlich einigen tausend Juden das Leben durch das eigenmächtige Ausstellen eines Visums - er handelt damit entgegen der Anordnung seiner Vorgesetzten. Die Rettung der jüdischen Flüchtlinge gerät ihm zur Herzensangelegenheit, was hier für mein Empfinden glaubwürdig dargestellt wird. Das Geschehen danach erscheint wieder unaufgeregt, "Sempo" fällt in Ungnade und verliert nach Abschiebung aus Litauen und Kriegsgefangenschaft auch noch seine Stelle im Staatsdienst. Erst im hohen Alter erfährt Suguhara vom Überleben einiger von ihm mit Visa versorgter Menschen und wird schließlich auch in Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" anerkannt und geehrt. 

Für ein Sachbuch passend war dann wohl die abschließende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Interpretationsansätzen zur Handlungsweise Siguharas, auch um zu verdeutlichen, welchen davon sich der Autor anschloss und warum. Bei dürftiger Quellenlage bleibt so ein Spielraum wohl nicht aus. Ich hätte ehrlich gesagt lieber mehr vom Menschen Chiune Sugihara  erfahren, aber dafür gab es vermutlich zu wenig offizielle Anhaltspunkte oder Zeugenaussagen. Ob nun "Schindler", "Samurai" oder "Menschenfreund" - die Tat an sich ist ja nicht zu bestreiten. Deshalb ist mir die metaphorische Beschreibung der Person "Sempos" vollkommen egal. Auch hätte ich mich über begleitende Fotos im Buch gefreut, ebenso wie über eine Landkarte, um die im Buch benannten Ortschaften auch geografisch einordnen zu können (Entfernungen, Lage usw.). 

Alles in allem eine sehr sachlich gehaltene Biografie, der ich jedoch mehr Einblicke in die Person Sempo gewünscht hätte. Interessant war es aber allemal...

 

© Parden