Rezension

Colson Whiteheads Roman über Rassenwahnsinn und das menschliche Bestreben nach Freiheit geht tief unter die Haut.

Underground Railroad - Colson Whitehead

Underground Railroad
von Colson Whitehead

Cora ist eine junge Frau, und eine von vielen Farbigen, die auf einer Baumwollplantage in Georgia ihren Dienst verrichten. Die Behandlung der Sklaven auf der Plantage ist grausam und so ist der Wunsch zu fliehen unermesslich groß. Schließlich gelingt es Cora und Caesar zu fliehen und mit Hilfe des geheimen Fluchtnetzwerkes der Underground Railroad stehen ihre Chancen auf ein freies Leben gut. Dennoch gestaltet sich die Flucht und das neue Leben schwieriger als gedacht. Kopfgeldjäger und die verschiedenen Gesetze der einzelnen Staaten erschweren es den Farbigen ungemein, aus der Sklaverei auszubrechen.

Colson Whitehead befasst sich in seinem neuen Roman „Underground Railroad“, der bereits mit dem Pulitzer Preis 2017 ausgezeichnet wurde, mit einem Thema dass schon seit Jahrhunderten nicht an Aktuallität verliert – Rassismus.

"Sie war nicht überrascht, als sein Charakter sich zeigte – wenn man lang genug wartete, tat er das immer." (Underground Railroad, Seite 21 (epub Version)

Schonungslos zeichnet der Autor mit Hilfe der fiktive Lebensgeschichte über die junge farbige Cora das menschenunwürdige Leben einer Sklavin auf einer Baumwollplantage. Der Blick wendet sich auf den harten Arbeitsalltag und die damit einhergehenden Ängste, Sorgen und Probleme. Dabei wird nicht nur durch die schlechte Behandlung durch den Plantagenbetreiber, sondern auch durch die Konflikte zwischen den Sklaven deutlich, welch grauenvolles Leiden, in seelischer wie auch körperlicher Hinsicht, einem jeden Sklaven aufgebürdet wird. Der klare und treffende Schreibstil von Colson Whitehead lässt eine dazu passende Atmosphäre entstehen, die den Leser fest in den Griff nimmt und geradewegs zu erdrücken scheint. Emphatische Menschen und zart besaitete Menschen sollten diesen Lesestoff gut dosieren.

"Die Weißen fraßen einen auf, aber manchmal taten das auch die Farbigen."  (Underground Railroad, Seite 60 (epub Version)

Durch den geschickten Aufbau der Geschichte erzeugt Colson Whitehead einen unaufdringlichen Spannungssog. Kurze Kapitel aus der Perspektive diverser Akteure wie z. B. der eines Sklavenfängers (Kopfgeldjäger), Arztes oder einer Helferin des Flüchtlingsnetzwerkes der Underground Railroad geben ein umfassendes Bild ab. Allerdings fand ich einige Abschnitte etwas zu kurz angerissen, vielleicht hat sich mir gerade deshalb der Sinn dieser „kurzen Ausflüge“ im Kontext zu Coras Geschichte nicht immer ganz erschlossen.

Im Gegensatz zu diesen kurzen Kapiteln überzeugen die längeren Kapitel aus Coras Perspektive ungemein. Der durch die Kolonisierung Amerikas enstandene Sklavenhandel wird dem Leser durch die mutige und kämpferische Hauptprotagonistin auf eine sehr emotionale Weise näher gebracht. Coras Geschichte hat Seite um Seite eine immer größer werdende Sogwirkung entwickelt und mich fest an die Seiten gebannt.

"Sie waren selbst Geister, gefangen zwischen zwei Welten: der Wirklichkeit ihrer Verbrechen und dem Jenseits, das ihnen wegen dieser Verbrechen verweigert wurde."  (Underground Railroad, Seite 178 (epub Version)

Cora glingt die Flucht über die unterirdischen Wege der Underground Railroad. Was in der Realität für ein Flüchtlingsnetzwerk aus Gegnern der Sklaverei stand, die sich der Metaphern der Eisenbahn bedienten, wird in dem Roman wortwörtlich zum Sinnbild. Im Laufe des Plots macht man Bekanntschaft mit Schaffnern, Stations- und Bahnhofsvorstehern die sich mit Herzblut für die Sache einsetzen. Ich hätte mir gewünscht, dass man über dieses Netzwerk noch mehr erfährt und vor allem, dass die fiktive Seite der Geschichte und die historischen Hintergründe dazu in einem Nachwort erläutert werden.