Rezension

Coming of age in Texas

Das Dickicht - Joe R. Lansdale

Das Dickicht
von Joe R. Lansdale

Oft wird von der Magie des ersten Satzes gesprochen – bei Joe R. Lansdales „Das Dickicht“ bekommt dies eine ganz andere Bedeutung, denn in diesem ersten Satz fasst er bereits die Handlung seines neuen Romans zusammen. Die Rahmenbedingungen ähneln denen des Vorgängers „Dunkle Gewässer“: Anfang 20. Jahrhundert, eine ärmliche Gegend im Osten von Texas am Sabine River, Mord und Todschlag, ein Jugendlicher auf einer gefährlichen Reise.

Und von dieser unfreiwilligen Unternehmung erzählt uns der sechzehnjährige Jack Parker, dessen Eltern und Großeltern durch tragische Geschehnisse zu Tode gekommen sind. Einzig Lula, seine Schwester, hat überlebt, wird aber von skrupellosen Banditen verschleppt, die auch versuchen, Jack zu töten. Aber er überlebt und macht sich auf die Suche nach seiner Schwester.

Unterstützung erfährt er durch die beiden Shorty, einen Kleinwüchsigen, wie der Name bereits vermuten lässt, und Eustace, einen großgewachsener Afroamerikaner, der immer in Begleitung seines gezähmten Ebers namens Keiler ist. Etwas später gesellen sich noch weitere Gefährten dazu, unter anderem Jimmie Sue, eine Hure mit einem Herz aus Gold. Und gemeinsam setzen sie sich auf die Fährte der Entführer, die eine Spur der Gewalt hinter sich herziehen und Unterschlupf im Dickicht suchen, einer Gegend, in der mittlerweile schwarzes Gold aus der Erde an die Oberfläche dringt…

Märchen oder Western? Meiner Meinung nach weder noch, sondern eine Coming of age-Geschichte. Nein, das stimmt so nicht. Es gibt einzelne Aspekte, die aus Märchen und Western entlehnt wurden: Gut gegen Böse, David gegen Goliath, aber auch die Ortsbeschreibungen, die mich sofort an „Django Unchained“ denken ließen. Aber in erster Linie erzählt „Das Dickicht“ eine Geschichte der Veränderung. Jack wird während der Suche nach seiner Schwester erwachsen, und in Texas wird der „Wilde Westen“ mit der beginnenden Ölförderung der allmählichen Industrialisierung weichen.

Bissige Dialoge und schwarzer Humor, ein bemerkenswertes Team aus skurrilen Personen, die sich ausnahmslos am Rande der Gesellschaft bewegen und eigentlich durch alle Raster fallen – Joe R. Lansdale hat mit „Das Dickicht“ einmal mehr einen Roman in der Tradition der großen Südstaaten-Autoren geschrieben.