Rezension

Das erste Museum Indiens

Das Museum der Welt - Christopher Kloeble

Das Museum der Welt
von Christopher Kloeble

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Jedes Objekt einer wissenschaftlichen Untersuchung verändert sich, wenn es betrachtet wird, hat Robert gesagt.
Aber, wie ich jetzt weiß, macht das Objekt auch etwas mit dem Betrachter.“

S. 257

Bartholomäus lebt schon seit er denken kann im Waisenhaus. Dank seiner schmächtigen Statur und seinem enormen Wissensdrang gilt der circa Zwölfjährige bei den anderen Kindern als Außenseiter und wird häufig schikaniert. Vater Fuchs, einen deutscher Katholik und Leiter des Heims, schätzt den gewitzten Jungen der mehrere Sprachen spricht, allerdings besonders. Den Alltag im Waisenhaus hält Bartholomäus auch hauptsächlich dank Vater Fuchs aus. Doch der Vater verschwindet plötzlich und Bartholomäus will ihn unbedingt wiederfinden, selbst wenn er dafür ganz Bombay absuchen muss! Aus diesem Grund nimmt er auch das Angebot dreier seltsamer Bayern an, die ihn als Übersetzer brauchen. Die unterschiedlichen Brüder planen eine Forschungsexpedition quer durch Indien und eigentlich will Bartholomäus sie nur solange begleiten, bis er Vater Fuchs aufgestöbert hat. Doch es kommt anders als er es geplant hat und schließlich wird er mehrere Jahre mit den Brüdern unterwegs sein.

Die Brüder sind die Forscher Adolph, Hermann und Robert Schlagintweit und ihre Beziehung zu Bartholomäus ist geprägt von wechselseitiger Ab- und Zuneigung. Indien steht in den 1850er Jahren unter britischer Herrschaft und der Junge mag die überheblichen „Firengi“ so gar nicht leiden. Mit Stolz, Witz und viel Wahrheit schildert Bartholomäus die Ironie westlicher Überheblichkeit und entlarvt ihren Rassismus. Er hat kluge Gedanken zu den Forschern und ihrem Tun, spart aber auch nicht an Eigenlob. Seine zunehmende Zerrissenheit hat Kloeble absolut wunderbar beschrieben.

„Das Museum der Welt“ ist gleichzeitig unheimlich informativ, unterhaltsam, interessant und witzig aber auch wahrhaft, klug und traurig. Aus der Perspektive eines indischen Waisenjungen zu schreiben, war eine geniale Idee, die dieses Buch erst zu etwas ganz besonderem macht.

Kolonialismus, Indien in den 1850er Jahren, überhebliche Europäer, eine Forschungsexpedition und ein extrem cooler und kluger Waisenjunge: Wer sich davon angesprochen fühlt, sollte hier auf jeden Fall zugreifen!