Rezension

Das herabgewürdigte Genie

Das verborgene Genie -

Das verborgene Genie
von Marie Benedict

Bewertet mit 5 Sternen

Rosalind Franklin (1920-1958), Engländerin aus wohlhabendem, angesehenem jüdischen Haus, wollte nicht in die Fußstapfen ihrer Familie treten und Charity-Arbeit leisten, sondern ihr Leben der Wissenschaft widmen. Als Spezialistin für Röntgenstrukturanalyse geht die promovierte Wissenschaftlerin gegen den ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters zunächst als Forscherin nach Paris, kehrt dann aber zurück nach London ans King's College, wo sie unter unklaren Aufgabenverteilungen Röntgenbeugungsdiagramme zur Erforschung der DNA anfertigt und die Doppelhelixstruktur derselben erkennt. Doch sie muss gegen den permanenten Widerstand der anderen Forscher ankämpfen, gegen Ausgrenzung, Sexismus, mangelnde Anerkennung und schließlich Sabotage und Diebstahl - und so erhalten schließlich lediglich die Forscher James Watson und Francis Crick die wissenschaftliche Anerkennung und den Nobelpreis für das Modell der Doppelhelixstruktur, die Franklin entdeckt hatte.

Marie Benedict studierte zunächst Geschichte und Kunstgeschichte, bevor sie auch ein Rechtsstudium erfolgreich abschloss. Seit 2016 verfolgt die US-amerikanische Benedict ein Projekt, in welchem sie in historischen Biografien die besonderen Leistungen von Frauen thematisiert und diesen so posthum Gerechtigkeit zukommen lässt. Mit der Romanbiografie "Das verborgene Genie", dem fünften Band aus ihrer Reihe "Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte" widmet sie sich der Forscherin Rosalind Franklin, die durch ihre Forschungen zur Doppelhelixstruktur unserer DNA entscheidend die Weltgeschichte mit geprägt hat, der jedoch nicht die ihr zustehende Anerkennung zuteil wurde, sondern ihr Name in Vergessenheit geriet und stattdessen nur die Männer geehrt wurden.

Marie Benedict hat auch für diesen Band wieder ausgezeichnet recherchiert und orientiert sich bei der Schilderung von Franklins Geschichte eng an den Aufzeichnungen von Benedicts Freundin Anne Sayre.

Der Schreibstil ist überaus flüssig und ansprechend, so dass sich die Seiten quasi von selbst umblätterten; und der Wettlauf in der Erforschung der DNA liest sich fast wie ein Krimi. Die Romanbiografie ist in der Ich-Perspektive geschrieben, so dass sich Franklins Gedanken und Einstellungen sehr gut nachempfinden lassen. Da ihr Leben sich um ein hochkomplexes Wissenschafts-Thema rankte, finden sich natürlich auch etliche Fachbegriffe und Erläuterungen in diesem Buch, die meiner Meinung nach aber so gehalten sind, dass auch der Laie zumindest nachvollziehen kann, worum es geht. Und auch die Verwendung französischer Ausdrücke zu Franklins Pariser ZEit hemmen den Lesefluss nicht.
Leider findet diese Romanbiografie aufgrund der Verhaltensweisen der männlichen Wissenschafts-Welt, aber auch durch Franklins frühen Tod aufgrund ihres sorglosen Umgangs mit der Röntgenstrahlung ein trauriges Ende. 

Da Franklin ihr Leben voll und ganz ihren Forschungen widmete, finden sich auch nur begrenzte Schilderungen ihres Privatlebens. Doch ihre Leidenschaft und ihr Charakter sowie ihr wissenschaftliches Genie kommen voll und ganz zum Ausdruck. Eine bemerkenswerte Frau, die mit diesem Buch endlich die Aufmerksamkeit erhält, die sie verdient! 

Ein Nachwort der Autorin rundet "Das verborgene Genie" ab, das mich begeistert hat und das ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann!