Rezension

Das Wort hat die Verteidigung

Inside Strafverteidigung -

Inside Strafverteidigung
von Burkhard Benecken

Bewertet mit 4.5 Sternen

Burkhard Benecken und Hans Reinhardt sind Strafverteidiger aus vollem Herzen. In gemeinsamer Kanzlei im Ruhrgebiet tätig, bieten sie Rechtsbeistand in allen Rechtsgebieten und stehen regelmäßig mit besonders medienwirksamen Fällen oder Prominenten im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit - häufig mit der Frage "Wie kann man so eine Person denn noch verteidigen?" Mit ihrem neuen Buch "Inside Strafverteidigung" geben die hoch qualifizierten Juristen einen Einblick in ihren Arbeitsalltag und ihre Strategien, ein möglichst gutes Ergebnis für den Beschuldigten zu erreichen. Die dabei geschilderten Fälle aus ihrer Praxis sind dabei nicht nur "True Crime" und dem interessierten Leser oftmals aus den Medien bekannt, sondern geben aufschlussreiche Hintergrundinformationen fungieren als Beispiele zu den aufgestellten Thesen.

Eines ist natürlich gewiss: Burkhard Benecken und Hans Reinhard sind als erfolgreiche Anwälte Meister des Wortes und nicht zuletzt auch der Manipulation! Geschickt verstehen sie es, den Leser auf ihre Seite zu ziehen und so beginnt das Buch gleich mit dem Fall des "falschen Sittichs", dem zu Unrecht der Pädophilie beschuldigten Familienvaters, dem durch die geschickte Verteidigung ein falsches Urteil - und noch schlimmere als die schon entstandenen Nachteile - erspart blieben; was aufzeigt, dass ein Tatverdacht nicht gleichzusetzen ist mit Schuld. Doch auch brutale Mörder zählen zu ihren Klienten, was ihnen den Titel "Advokaten des Bösen" eingebracht hat. Hier ist es den Anwälten ein Bedüfnis, aufzuzeigen, dass das Beistehen eines Beschuldigten kein Gutheißen der Tat ist; allerdings hat jeder Verdächtige eine effektive und faire Verteidigung verdient, denn dieses ist ein grundlegender Gedanke unserer Rechtstaatlichkeit. Und als "Hüter unserer Verfassung" möchten sie gesehen werden und mit den Vorurteilen gegen ihren Berufstand aufräumen, was ihnen in weiten Teilen sehr gut gelingt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Perspektive in der Verteidigung eine einseitige ist und die Anwälte nicht nur das hohe Gericht, sondern hier auch den Leser auf ihre Seite zu ziehen versuchen, und das will ich keinesfalls als Kritik verstanden sehen. Dieses Buch ist eben eine Ode an den Beruf des Strafverteidiger - dass unser Staat gerade auch durch solch gewiefte Anwälte immer mehr von einem Täter- zu einem Opferstaat abrutscht, ist ein anderes Thema, für das es hier keinen Raum gibt. Auf jeden Fall lässt sich nach der Lektüre das Deutsche Rechtssystem und seine Umsetzung als ein Segen ansehen!

Auch, wenn das Buch als "Sachbuch" gelistet ist und Benecken und Reinhardt häufig Fachsprache verwenden sowie die entsprechenden Rechtsnormen zitieren (diese sind meist als Fußnoten angegeben und stören den Lesefluss in keinster Weise), ist die Publikation unterhaltsam und gut und flüssig zu lesen; die "True Crime" Fälle untermauern die geschilderten Argumente und veranschaulichen die Aussagen. Beim Lesen ertappte ich mich häufiger dabei, dass mir die ein oder andere Sache bereits aus der Presse bekannt war, und ich fand es überaus spannend, diese nun aus einer anderen Sichtweise als durch die Journalisten dargestellt zu bekommen. Für meinen Geschmack hätten diese Rechtssachen durchaus etwas ausführlicher und in weiteren Aspekten geschildert werden dürfen, da sie bei mir mehr Fragen ausgelöst denn Antworten gegeben haben, was aber durchaus auf meine große Wissbegierde in diesem Bereich zurückzuführen ist; gerade zum Ende hin geht es Schlag auf Schlag und ich war versucht, im Internet weiter nachzuforschen.

Abschließend kommt der Leser zu dem Schluss, dass ein Verteidiger mit Leib und Seele gewiss einer überaus abwechslungsreichen Tätigkeit nachgeht, einen hohen Reiseaufwand und hohe Arbeitsbelastung und dafür einen großen Verdienst hat, was jedoch nicht die wesentlichen Aspekte in der Berufswahl sein dürften, denn es braucht die starke Persönlichkeit, die hier geschildert wird.

Herr Benecken und Herr Reinhardt, Sie sind vom Vorwurf des Bösen freigesprochen, sofern die Seite des Staatsanwaltes, die mir versagt blieb, keine Einwände erhebt! Ich vergebe 4,5 Sterne und empfehle das Buch gerne weiter. (Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es - aus meiner Sicht - sehr schwierig ist, den Titel alleine für sich zu lesen, lösen die vermittelten Themen doch einen großen Diskussionsbedarf bei mir aus!) Und jetzt möchte ich gerne ein Buch der Gegenseite lesen....