Rezension

Demokratie – unverzichtbar.

Lasst uns offen reden! -

Lasst uns offen reden!
von Constantin Schreiber

Bewertet mit 5 Sternen

Sollte jeder lesen, der sich schon einmal über die Meinung eines anderen heftig aufgeregt hat!

In diesem kurzen, leicht verständlichen Essay spricht Constantin Schreiber Sachverhalte an, die eigentlich selbstverständlich sind, die wir, als Demokratie, als zusammenlebende Gemeinschaft aber zu verlieren drohen. Und was ist das? Dass wir es nicht mehr aushalten, unterschiedliche Meinungen zu aktuellen und manchmal sogar brennenden Problembereichen zu haben. „Menschen sind zunehmend unfähig, Gespräche zu führen und Meinungen, die nicht der eigenen entsprechen, auszuhalten und zu tolerieren.“
Die einen wollen diejenigen vom öffentlichen Diskurs ausschließen, die sich durch die „falsche“ Meinung disqualifiziert hätten – was nichts anders als eine diktatorische Bestimmung darüber ist, was richtig und was falsch sei sowie die Bestimmungs-Hoheit über den öffentlichen Raum beansprucht – und die anderen werden diffamierend und gewalttätig. Statt mehr Demokratie entsteht mehr Radikalismus, statt Kompromiss- und Gesprächsbereitschaft, Verhärtung, Verbitterung, Hass. Das muss aufhören!
Es ist schwierig, wenn die eine Seite sich als so sensibel erweist, dass sie jede Kritik als Beleidigung versteht und bei abweichenden Meinungen mit diffamierenden Zuschreibungen nicht spart – islamophob, linksalternativ, rechts, etc. etc. - und die andere Seite so auftritt, als ob durch politisch abweichende Haltungen gleich ihr Leben bedroht würde und sie deshalb mit physischer Gewalt zurückschlagen müssten. Ein adäquater Dialog ist verloren gegangen – oder ist dabei, verloren zu gehen. Gut, seien wir ehrlich, das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Holen wir es wieder heraus, seien wir höflich zueinander! Höflichkeit ist irgendwie nicht in.
Die Rolle des einzelnen, verschiedener Gruppierungen sowie die Rolle und Verantwortung der Medien, alles kommt zur Sprache. Das Integrationsparadox habe ich so verstanden: auf dem Weg zu einer offenen, liberaleren Gesellschaft werden sowohl die rechten wie die linken Ränder radikal. Und Radikalität können wir überhaupt nicht brauchen! Eine ausgewogene Berichterstattung, miteinander Reden und eine gewisse Resilienz (= das Aushalten anderer ohne sie zu verunglimpfen) sind Grundlagen der Demokratie. Selbst eine unvollkommene Demokratie ist besser als jede Diktatur, Autokratie und Totalitarismus.

Fazit: Lesen. Geht schnell. Um die 100 Seiten. Gut zum Verschenken geeignet.

Kategorie: Sachbuch. Öffentlicher Diskurs. 
Verlag: Hoffmann & Campe, 2024

Kommentare

lex kommentierte am 26. August 2024 um 00:08

Constantin wieder. Klingt plausibel. Wenn es sich jetzt noch die richtigen Leute annehmen würden.

wandagreen kommentierte am 27. August 2024 um 08:18

Das ist das eigentliche Problem!!!

Emswashed kommentierte am 27. August 2024 um 08:43

Mit Solingen haben wir jetzt eine ganze Reihe von Politikern, die sich nur noch radikal äußern können, da ist es um die ausgewogene Berichterstattung schlecht bestellt.

Steve Kaminski kommentierte am 31. August 2024 um 11:14

Ja. Und dass man einer Radikalisierung etwa im Sinne des IS entgegenwirken kann, indem man sich um die Menschen kümmert, auf ihre Vorgeschichte (Traumatisierung?) eingeht, habe ich nur von wenigen Expertinnen und Experten gehört.

Steve Kaminski kommentierte am 31. August 2024 um 11:19

Klingt alles gut. Aber es gibt eine Grenze, wo es - für mich - keinen Diskurs mehr geben kann: etwa bei Rassismus, Nazismus, Antisemitismus, Lügerei in Trumpmanier. Man kann mit den Leuten sprechen, um herauszufinden, wie/warum sie dahin gekommen sind, aber man kann  nicht über die Inhalte diskutieren.