Rezension

Den Leib soll man nicht schlechter behandeln als die Seele. (Hippokrates)

Mehr als die Finsternis -

Mehr als die Finsternis
von Melanie Metzenthin

Bewertet mit 5 Sternen

1923. Während nach dem Ersten Weltkrieg die Wirtschaftskrise stark beutelt, bekommt es Friederike von Aalen in der Nervenheilanstalt Gut Mohlendorf gleich mit zwei neuen Patientinnen zu tun: der 17-jährigen Luise Jannsen und eine junge schwanger Frau, die durch einen beobachteten Unfall schlimm traumatisiert ist und seitdem nicht mehr spricht. Während Luise sich wie eine Halbstarke aufführt und dem Gefängnis nur durch eine Therapie entgehen konnte, wird die Schwangere als Zeugin des Unfalls auf Gut Mohlenberg untergebracht, wo sie ein farbiges Baby zur Welt bringt. Wird Friederike das Vertrauen der beiden so unterschiedlichen Frauen für sich gewinnen und so einige Geheimnisse ans Tageslicht bringen?

Melanie Metzenthin hat mit „Mehr als die Finsternis“ den Folgeband ihrer „Gut Mohlenberg“-Reihe vorgelegt, der eine Kriminalgeschichte vor historischem Hintergrund spannend verpackt und gleichzeitig die damalige schwierige Zeit für den Leser wieder auferstehen lässt. Mit flüssigem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil lässt die Autorin den Leser per Zeitreise in die Psychiatrieeinrichtung Mohlendorf nahe Lüneburg einziehen, wo er Friederike bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter sehen und dabei auch die Patienten sowie Kommissar Lechner kennenlernt. Friederike geht in ihrem Beruf auf und gerade in der augenblicklichen Wirtschaftslage bangt sie darum, dass Patienten die Behandlung nicht mehr bezahlen können und deshalb ausbleiben. Ihre beiden Neuzugänge verlangen ihr einiges ab, denn es bedarf einiges an Einfühlungsvermögen und Geduld, um hinter die Fassade sowohl von Luise als auch der Schwangeren zu blicken. Die Autorin vermengt die damaligen Gepflogenheiten sowie den gesellschaftlichen und politischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung. Während man als Leser Friederike begleitet, erfährt man so einiges aus dem Leben der beiden Patientinnen. Die Rolle der Frau war damals noch genau definiert und für Luise wie ein Gefängnis, gegen das sie mit ihrem rebellischen Verhalten aufbegehrt. Der Spannungsbogen entsteht gleich zu Beginn des Buches und zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, denn nicht nur Friederikes Anstrengungen gegenüber ihren Patientinnen ist hochinteressant, auch der beobachtete Unfall muss aufgeklärt werden. Metzenthin beweist mit der Verflechtung von mehreren Handlungssträngen einmal mehr, wie gut sie den Leser zu fesseln weiß, denn dieser kann das Buch kaum aus der Hand legen.

Liebevoll und lebendig ausgestaltete Charaktere nehmen den Leser schnell für sich ein, der ihnen folgt, mitfiebert und miträtselt. Friederike ist eine einfühlsame, hilfsbereite, selbstlose und patente Frau, die ihren Beruf als Ärztin als Berufung empfindet. Sie kann sich in ihre Patienten hineinfühlen und versucht, ihnen so gut wie möglich zu helfen. Gleichzeitig schießt sie bei ihren Unternehmungen oftmals auch über das Ziel hinaus, doch verliert sie nie den Mut, Lösungen zu finden. Luise benimmt sich wie ein typischer Teenager, sie ist rebellisch, strebt nach Freiheit und stemmt sich gegen Bevormundung und Unterordnung. Fräulein Wermut wirkt zu Beginn noch wie eine Lehrmeisterin, doch im Kern besitzt sie eine Menge Humor, ist clever und wortgewandt, teilweise spitzzüngig, ohne dabei verletzend zu sein. Sie sorgt für einige sehr unterhaltsame Momente.

„Mehr als die Finsternis“ ist ein sehr unterhaltsamer Mix aus Historie, Schicksalsschlägen, Spannung und vor allem wunderbaren Protagonisten, denen man sich verbunden fühlt. Absolute Empfehlung für eine sehr gelungene Fortsetzung!