Rezension

Der Erste Weltkrieg aus Sicht eines Kindes

So fern wie nah - John Boyne

So fern wie nah
von John Boyne

Alfie wird seinen fünften Geburtstag nie vergessen: An diesem Tag beginnt der Erste Weltkrieg. Damit verändert sich sein Leben radikal: Sein Vater meldet sich freiwillig als Soldat, Alfie bleibt mit seiner Mutter allein zurück. Jahre vergehen. Die Briefe des Vaters, die zunächst unterhaltsam und voll Hoffnung auf ein schnelles Ende waren, werden immer düsterer und verworren und bleiben schließlich ganz aus. Die Mutter behauptet, der Vater befinde sich auf einer geheimen Mission und dürfe daher nicht mehr schreiben, doch Alfie glaubt ihr nicht: Viel wahrscheinlicher ist doch, dass der Vater tot ist wie so viele andere. Alfie will seiner Mutter helfen; er schwänzt die Schule und verdient in dieser Zeit als Schuhputzer etwas Geld. Dabei entdeckt er durch Zufall, dass sein Vater sich in einem Krankenhaus für traumatisierte Soldaten befindet. Heimlich fährt er dorthin und ist entsetzt: In dieser Umgebung kann sein Vater ja nicht gesund werden - kein Wunder, dass er seinen Sohn kaum erkennt und zu keinem Gespräch fähig ist! Für ihn ist klar, was er tun muss: Er muss seinen Vater aus dem Hospital entführen und nach Hause bringen...

Wie in seinem Bestseller "Der Junge im gestreiften Pyjama" beschreibt Boyne den Krieg aus der Sicht eines Kindes. Die erschütternden Erlebnisse des Vaters im Krieg werden nicht ausgemalt; sie bleiben völlig der Phantasie des Lesers überlassen. Auch fern an der Front gibt es Erschreckendes und Unbegreifliches: Alfies Freundin Kalena wird mit ihrem Vater interniert - dieser gilt als unerwünschter Ausländer und möglicher Spion, obwohl er als Jude aus Prag der Liebe wegen nach England ausgewandert ist; Vaters bester Freund Joe ist ein überzeugter Pazifist und Kriegsdienstverweigerer und wird im Gefängnis zusammengeschlagen und von den Nachbarn als Drückeberger misshandelt; Alfie erlebt, wie seine Mutter aus purer Not nicht nur eine Arbeit aufnehmen muss, sondern daneben noch zusätzlich Heimarbeit annimmt, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit neun Jahren übernimmt er Verantwortung und hat dennoch seine kindliche Naivität nicht verloren, die ihn glauben lässt, dass mit einer Heimkehr des Vaters nach Hause alles gut werden muss.

Boyne gönnt dem kindlichen Leser ein gutes Ende des Buches und gibt ihm dennoch die Einsicht mit, dass nicht alles gut ist auf dieser Welt. Im Gegensatz zu Bruno bleibt Alfie nicht naiv, aber obwohl er seine Kindlichkeit in einigen Aspekten ablegt und früh erwachsen werden muss, behält er Hoffnung. So kann dieses Buch Kindern empfohlen werden und bietet sicherlich viel Anlass zu Gesprächen.

Kommentare

parden kommentierte am 10. Mai 2014 um 08:38

Eine schöne Rezension - und dieses Buch von John Boyne kenne ich auch noch nicht. Ich setze es daher mal auf meine Wunschliste...