Rezension

Der Weg der Rache

Die Ungerächten -

Die Ungerächten
von Volker Dützer

Bewertet mit 5 Sternen

„...Die Geister der Vergangenheit verblassten, die Erinnerungen jedoch, die so unerwartet auftauchten, wirkten nach...“

 

Diese Worte sagt die 90jährige Hannah zu ihrer Enkelin. Danach berichtet sie ihr aus der Vergangenheit.

Der Autor hat einen vielschichtigen historischen Roman geschrieben. Er geht der Frage nach, wie die Opfer des Naziregimes nach dem Krieg zurechtgekommen sind.

Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Zu dem Buch gibt es einen Vorgänger. Der erzählt Hannahs Schicksal bis 1945. Wichtige Episoden und Ereignisse werden in diesem Band kurz an passenden Stelle kurz wiederholt.

Neben Hannah wird ein weiterer Protagonist aufgebaut. Pawel war im KZ Sachsenhausen.

 

„...Der Terror der Nazis ging dem Ende zu. In der Hoffnung, dem Wahnsinn entfliehen zu können, mischte sich nun die Angst, noch zu den letzten sinnlosen Opfern zu gehören...“

 

Er hat den Todesmarsch überlebt und seinen sterbenden Vater ein Versprechen gegeben, den Tod seiner Schwester zu rächen.

Dann setzt die Geschichte zwei Jahre später ein. In Frankfurt arbeitet Hannah bei den amerikanischen Behörden. Zusammen mit Scott kommen sie Kriegsverbrechern auf die Spur. Nach und nach aber sind die Besatzer an einer weiteren Verfolgung nicht mehr interessiert, selbst dann, als Hannah Namen nennt, die ich gerade wieder als Jüdin beschimpft haben. Ihre Frage ist nachvollziehbar:

 

„...Sollen die Opfer Tür an Tür mit den Tätern leben?...“

 

Die Rechtsprechung wird in die Hand der deutschen Behörden gelegt. Man hat also sprichwörtlich den Bock zum Gärtner gemacht.

Auch Pawel ist in Frankfurt. Er geht seinen eigenen Weg. Er sucht nicht Gerechtigkeit. Sein Ziel ist Rache - um jeden Preis.

 

„...Glaubt mir, der Wunsch nach Rache wird dich auffressen, wenn du nicht aufpasst...“

 

Die Worte gelten beiden, Hannah und Pawel. Beide ziehen unterschiedliche Lehren daraus.

Als die Amerikaner abziehen, verliert Hannah ihre Arbeitsstelle. Scott sorgt aber dafür, dass sie als Pilotin arbeiten kann. Nach einer Brandkatastrophe und einer persönlichen Enttäuschung muss sie Frankfurt verlassen. Sie geht nach Köln und trifft Ruth wieder. Die geht ganz anders mit ihrer Vergangenheit um. Sie hat sie hinter sich gelassen. Sie will leben, gut leben. Durch sie lerne ich die Zeit des Schmuggels kennen. Kohle und Kaffee sind gefragte Güter. Doch auch Ruths Handeln ist lebensgefährlich.

Einen besonderen Part im Buch haben die Täter. Dabei werden verschiedene Fragen aufgeworfen. So gibt es Menschen, die selbst Verfolgte waren und sich nun für die Täter einsetzen. Warum? Viele lassen sich mit sogenannten Persilscheinen weiß waschen. Andere nutzen ihr Wissen für Erpressungen. Und dann gibt es noch die Rattenlinie.

Eines aber sollte uns heute zu denken geben:

 

„...Der Faschismus war wie eine Seuche, die man niemals würde ausrotten können. Sie schlief wie die Pest, die man besiegt zu haben glaubte...“

 

Es ist schwierig, Freund und Feind auseinander zu halten. Die Geschichte ist fesselnd geschrieben. Deutlich wird, das es für die Opfer fast unmöglich ist, ein normales Leben zu führen. Einige der Täter allerdings fühlen sich schon wieder oben auf. Das spürt vor allem Hannah, die mehrmals Geistern aus ihrer Vergangenheit begegnet.

Allerdings sollte man beachten, dass die Geschichte in der amerikanischen Besatzungszone spielt. Und Scott fragt entgeistert seinen Vorgesetzten:

 

„...Sie behaupten ernsthaft, dass wir mit den Nazis gemeinsame Sache machen, nachdem unsere Jungs die Köpfe für ein freies Europa hingehalten haben?...“

Ein ausführliches Nachwort trennt Fiktion von Realität.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt das Spannungsfeld der Nachkriegszeit, aber auch die damaligen Versäumnisse. Wie formuliert es Hannah?

 

„...Sie schützen die Täter und missachten die Opfer...“