Der würdige Nachfolger zu "Verbrechen"
Bewertet mit 4 Sternen
Mit "Schuld" ist Ferdinand von Schirach ein großartiger und vor allen Dingen würdiger Nachfolger zu seinem ersten Werk "Verbrechen" gelungen. Auch in diesem Buch hat der Autor eine Reihe von obskuren, grotesken, aber auch rührenden Geschichten aus seiner Laufbahn als Strafverteidiger zusammengestellt. Bei einigen stockt einem der Atem bei dem Gedanken, dass sie tatsächlich so durchlebt und vor allem durchlitten worden sind, bei anderen kann man nur verständnislos den Kopf schütteln, wieder andere lassen einen mit rechtschaffenem Zorn zufrieden über ihren Ausgang nicken. Ferdinand von Schirach nimmt seine Leser mit auf eine Gratwanderung, bei der sich jeder - mich eingeschlossen - mehr als einmal fragt: Ist das Gute wirklich gut? Ist das Böse pauschal immer und ausschließlich Böse? Wo liegen die Grenzen? Wo bewege ich mich mit meinem eigenen Empfinden für Recht und Unrecht eigentlich?
In oft sehr schlichter, aber bildreicher, eindrucksvoller und intensiver Art und Weise gibt von Schirach die Fälle wieder und beginnt meist mit alltäglichen Dingen aus dem Leben der Protagonisten. Dadurch bewirkt er vor allem eins: Ich konnte mir bei fast jeder der Geschichten vorstellen, dass auch mir das alles hätte widerfahren können.
Wer "Verbrechen" mochte, dem wird auch "Schuld" gefallen. Aber auch wer den Vorgänger nicht gelesen hat, muss nicht vor dem 'Nachfolger' zurückschrecken: Die Bücher bestehen unabhängig voneinander, lassen sich sehr gut und flüssig runterlesen und sind beide einfach äußerst empfehlenswert.