Rezension

Justiz gleich Gerechtigkeit?

Schuld - Ferdinand von Schirach

Schuld
von Ferdinand von Schirach

Bewertet mit 4 Sternen

Der Erzählungsband "Verbrechen" von Ferdinand von Schirach hat die Leser im deutschsprachigen Raum begeistert und bewegt, wie es Büchern nur ganz selten gelingt. Nun legt der als die literarische Entdeckung des Jahres 2009 gefeierte Autor und Strafverteidiger einen neuen Band Geschichten vor.

In 15 meist kurzen Geschichten berichtet Ferdinand von Schirach von Fällen aus seiner Praxis als Strafverteidiger. Manche der Geschichten erscheinen eher belanglos, andere sind überraschend in ihrer Entwicklung, und wiederum manche lassen einen richtiggehend schlucken.
Bereits in seinem ersten gorßen Fall als junger Verteidiger gerät der hehre Grundsatz "Verteidigung ist Kampf, Kampf um die Rechte des Beschuldigten" gehörig ins Wanken. Verteidigt der Anwalt doch einen von neun Männern, von denen acht an der brutalen Vergewaltigung eines jungen Mädchens beteiligt waren, der neunte aber anonym die Polizei gerufen hatte. Alle Männer schweigen, das Mädchen vermag keinen der Männer wiederzuerkennen und die Spuren sind unglücklicherweise alle verwischt und unbrauchbar. "In dubio pro reo" verhilft schließlich zum Freispruch aller Beteiligten, das Leben des Mädchens ist zerstört.

Ferdinand von Schirach schreibt in einem sachlich-nüchternen Stil, der die Geschehnisse dokumentiert ohne sie zu bewerten. Dies überlässt er dem Leser.
Die Fakten sprechen oft genug auch für sich. Der Autor dramatisiert nicht, lässt aber alleine durch die Darstellung der Tatsachen den Leser teilweise tief in menschliche Abgründe blicken...

Die Geschichten bedienen keinen Voyeurismus, aber sie lassen doch manchesmal Zweifel aufkommen an der Gerechtigkeit von Justitia...
Sicherlich werde ich auch noch weitere Bücher von Ferdinand von Schirach lesen.