Rezension

Die Eintracht baut ein Haus, die Zwietracht reißt es nieder

Die Liebe der Baumeisterin - Heidi Rehn

Die Liebe der Baumeisterin
von Heidi Rehn

Die Eintracht baut das Haus, die Zwietracht reißt es nieder.

Kein anderes Sprichwort beschreibt das Schicksal der jungen Dora aus Preußen besser. Ihr Vorfahr Laurenz Selege hat gemeinsam mit seiner Gemahlin Agnes sowohl in der Bau- als auch in der Braukunst erste Maßstäbe gesetzt, sodass diese Traditionen auch in den folgenden Generationen streng nach geltender Geschlechterordnung fortgeführt werden. Für die Protagonistin mit den verschiedenfarbigen Augen bedeutet dies, dass sie ihre Leidenschaft für die prächtigen Bauwerke nicht ausüben darf, weil ihr als Frau der Platz an den Gärbottichen zugeteilt wurde, obwohl sie viel geschickter mit den schwierigen Zeichnung zurechtkommt als ihr Bruder Jörg.

Die Heirat mit dem 50-Jährigen Kammerrat Urban Stöckel öffnet ihr aber ungeahnte Türen, weil der gutmütiger Ehemann ihr Talent bei dem eigenen Hausbau fördern möchte, doch tragischerweise bei einer Besichtigung des Grundsteins erschlagen wird. Der Verdacht des Mordes fällt auf den stellvertretenden Bauherren Veit Singeknecht, der schon vorher die Nähe zu Dora suchte und daraufhin eilig geflohen ist. Im Angesicht der Witwentrauer werden Doras Gefühle für Veit immer deutlicher und so reist sie ihm nach Krakau nach und gerät dabei in den Verruf der Hexerei.

Dieser historische Roman aus der Feder von Heidi Rehn ist vollgepackt mit der Atmosphäre des 16.Jahrhunderts und vielschichtigen Charakteren, die das ohnehin schon fesselnde Mittelalter mit ihrer persönlichen Geschichte gelungen abrunden und greifbarer machen. Besonders positiv finde ich dabei, dass die arrangierte Hochzeit hier einmal glücklich geschildert wird und es nicht nur jähzornige Ehemänner in der Vergangenheit gab.

Mit Worten, die wie frisch aus der guten Stube der Seleges eingefangen sind, wird der Schreibstil an keiner Stelle langweilig. Hin und wieder gibt es detaillierte Ausführungen zu den Giebeln und Erkern der geplanten Objekte, die man bei dem Titel auch erwarten muss/darf und zwar sehr plastisch erklärt wurden, aber trotzdem bei mir nicht Doras Eifer auslösen konnten. Dem geschickten Bierbrauen von ihrer Schwägerin war ich beim Lesen näher, obwohl mich dann bei den herrschaftlichen Burgen und Schlössern auf Doras Reise doch noch das Baufieber packte und ich nachdem ich mich von den Seiten widerwillig gelöst habe das gelesene im Internet noch einmal leibhaftig anschauen wollte und von der Pracht z.B. der Marienburg ebenso überwältigt wurde.

Zudem gibt das Buch einerseits ein sehr anschauliches Bild über die Schaffenszeit von Herzog Albrecht in Preußen, der als gutgläubige Marionette seines Hausvogts Egbert Göllner ein verhängnisvolles Urteil über Dora fällt, und andererseits eine authentisches Darstellung der polnischen Königin Bona Sforza, wobei mir letztere noch stärker durch ihre feministischen Gedanken im Gedächtnis geblieben ist und die eingestaubten Ansichten mit ihrer italienischen Lebensfreude neu anordnet.

Dieser über 700 Seiten starke Ausflug in die Geschichte ist der Autorin auch ohne brutale Folterszenen sehr eindringlich gelungen und mit einer Mischung von Fakten, tiefen Gefühlen und Dramatik (wie das durch die Chronik belegte verheerende Feuer im Kneiphof) reich an Überraschungen. Vielleicht werden es einige LeserInnen der Protagonistin sogar gleichtun, indem sie demnächst eine Bündel Schafgarbe unter ihr Kopfkissen legen oder in das Buch pressen, denn ihre magische Gabe ist Fluch und Segen zugleich, aber immer wahrhaftig.

Kommentare

miristlangweilig kommentierte am 27. Dezember 2023 um 09:11

Im wahren Leben, wenn jemand versucht ein Haus zu bauen, ist es eher ein Albtraum als ein Märchen. Zum Beispiel habe ich ein fertiges Holzhaus gekauft, und es hat 7 Monate gedauert, bis die Firma es geliefert hat! Dann haben sie ihre Lieferfristen für die Überdachung verletzt, und ich musste meinen Vertrag mit ihnen auflösen. Dank VD AluSysteme, wo ich doppel carport gekauft habe, und einem neuen Unternehmen, das ich eingestellt habe, hat es beim zweiten Mal viel besser geklappt.