Rezension

Die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft

Glück und Glas - Lilli Beck

Glück und Glas
von Lilli Beck

Bewertet mit 4.5 Sternen

An einem Tag im Mai 1945 kommen zwei Mädchen zur Welt: Hannelore und Marion, die Töchter von zwei sehr unterschiedlichen Frauen:
Hannelore stammt aus einer Schuhdynastie und lebt in Reichtum und Kultur, Marion ist eine Arbeitertochter, der Vater noch in Kriegsgefangenschaft, so dass die Mutter als Haushälterin in Hannelores Familie anfängt. Ihre Kinder wachsen zusammen auf und verlieren sich auch als Erwachsene nicht aus den Augen. Während sie ihr Leben leben, ihre kleinen und großen Dramen ausstehen, kann der Leser die deutsche Nachkriegsgeschichte bis zur Gegenwart miterleben: von den Mängeln in den Nachkriegsjahren, dem Wirtschaftswunder, der Emanzipation, Anschlägen der RAF, wirtschaftlicher Niedergang, 11. September... bis zur Gegenwart, der 70. Geburtstag, zu dem Marion Hannelore eingeladen hat, nachdem sie sich über einige Sachen ausgesprochen haben, die sie seinerzeit entzweit hatte. 
Während Marion auf ihre Freundin wartet und Umzugskartons in ihrer neuen Wohnung auspackt, erinnert sie sich an ihr Leben... 

Dieses Buch ist private, intime Familien- und Freundschaftsgeschichte und großangelegtes Porträt und Gesellschaftsroman der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis 2016 zugleich. 

Manche Ereignisse werden nur im "Vorbeiflug" erwähnt, was ich als in den 1980ern Geborene etwas schade finde, andere wiederum sehr ausgeschmückt, was toll ist, etwa, wenn ein Anschlag auf dem Münchner Oktoberfest verübt wird und Marion um Hannelore bangen muss. 

Auch der Erzählstil ist ein Auf und Ab, vor allem der Anfang gefiel mir nicht, er war für mich sehr seifenopernhaft, dann wiederum gab es Kapitel, die wirklich sehr schön und emotional zu lesen waren, etwa die Kinderjahre Marions und Hannelores mit den vielen Entbehrungen, den Enttäuschungen und Schulsorgen. 

Nicht so interessant fand ich dagegen die Beschreibungen der Modestile und Kleidungsstücke, da ich mir diese nicht wirklich vorstellen konnte durch die Beschreibungen und diese damit einfach überlesen musste. Das ist halt Geschmackssache und innerhalb der Geschichte, da Marion ein Model wird, nachvollziehbar, aber für mich etwas "too much", zu detailliert. Hannelore hatte im Verhältnis zu Marion weniger Kapitel, vor allem am Ende, das fand ich auch etwas schade.

Insgesamt ein sehr interessanter, über weite Teile bewegender Roman über zwei Frauen und ihr Werdegang in Deutschland und dabei unterhaltsam und gut zu lesen, während man nebenher noch eine Menge lernt über die Vergangenheit und auch über seine heute  lebenden älteren Mitmenschen mit ihren Schrullen, die ich mir nun nach der Lektüre besser erklären kann.