Rezension

„Glück und Glas“ ist nicht nur ein Roman über Freundschaft, sondern auch über die deutsche Geschichte, Politik und Gesellschaft.

Glück und Glas - Lilli Beck

Glück und Glas
von Lilli Beck

Lilli Beck schaffte es, mit ihrem Roman „Glück und Glas“ einen kleinen aber feinen Gesellschaftsroman zu schreiben.

„Am 7. Mai 1945 werden Marion und Hannelore in der Frauenklinik in der Münchner Maistraße geboren. Obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen stammen, wachsen sie wie Schwestern auf und sind unzertrennlich. Doch als Marion sich an ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag verliebt, zerbricht ihre Freundschaft. Während der Kalte Krieg immer mehr eskaliert, die Studenten auf die Straße gehen und die ersten Kommunen entstehen, trennen sich ihre Wege endgültig. Die widerspenstige Marion wird Fotomodel, hat großen Erfolg im Beruf, aber kein Glück in der Liebe. Hannelore studiert Jura, um Anwältin zu werden, doch das Leben hat andere Pläne mit ihr. Jahrzehnte später, am 7. Mai 2015, wollen sie ihren siebzigsten Geburtstag zusammen feiern – doch kann die Zeit alle Wunden heilen?“*
*Quelle: blanvalet

Lore und Moon kommen in der Nacht, in der auch der 2. Weltkrieg endet, in einer Münchener Klinik auf die Welt. Elsa, Moons Mutter und Hilde, die Mutter von Hannelore, von allen nur Lore genannt, freunden sich an. Hilde, verheiratet mit dem großbürgerlichen Schuhfabrikanten Lemberg,  kümmert sich um Elsa, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und nach dem Krieg keine Bleibe hat, und nimmt sie bei sich als Haushälterin auf. Die Mädchen wachsen wie Schwestern auf  – bis Elsas rüder Ehemann aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt und Lore aufs Gymnasium geht.

Von hier an entwickeln sich die Lebenswege der beiden sehr unterschiedlich:
Hannelore studiert Jura, verliebt sich in einen Kommilitonen, heiratet und bleibt lebenslang in der bürgerlichen Enge haften und versucht den sich selbst auferlegten Konventionen zu entsprechen.

Moon jedoch findet keine Linie in ihrem Leben. Sie bricht mit ihren Eltern und versucht sich als Frisörin, Hippie, als Model und später als Designerin. Doch niemals findet sie die wahre Liebe in ihrem Leben und bleibt auf der ewigen Suche.

Erst an ihrem 70. Geburtstag, den Lore und Moon gemeinsam feiern wollen, finden die Freundinnen nach Jahren wieder zueinander.

„Glück und Glas“ ist ein Roman, der auf zwei Zeitebenen spielt. Einmal in der lektorischen Gegenwart, nämlich dem 70. Geburtstag der Frauen, und in der Vergangenheit, zu der die Autorin Lilli Beck aus den gegenwärtigen Kapiteln wunderbare Übergänge schreibt. So verfolgt der Leser die Lebensgeschichten der Protagonistinnen –  immer aus der Perspektive von Moon-  aus Sicht des allwissenden Erzählers.
Obwohl Lore und Moon die Hauptfiguren des Romans sind, steht Moon immer im Vordergrund – wie sie auch im wirklichen Leben stets die Aufmerksamkeit auf sich zieht und im Mittelpunkt des Geschehens steht.

Moon flattert durch die Geschichte und das Leben wie ein Nachtfalter. Sie fliegt immer dem Licht nach, kann es aber nie erreichen und erlebt dabei viele Höhen und Tiefen.
Lore wird als eher bieder beschrieben. Sie verfolgt den klassischen Weg des Hausmütterchens, das für Mann und Kind alles opfert – sogar ihren Traum als Anwältin zu arbeiten und versucht dabei immer mit einer sauberen Weste dazustehen.

Mit der Beschreibung der unterschiedlichen Lebensstile der beiden Frauen spiegelt Lilli Beck die Dualität der deutschen Gesellschaft in der Nachkriegsgeschichte wieder.
Die Biederkeit des deutschen Bürgertums einerseits im Kontrast zu denjenigen, die die Gegenkultur lebten, und sich den bestehenden gesellschaftlichen und politischen Normen und Werten verweigerten.

Lilli Beck schaffte es, mit ihrem Roman „Glück und Glas“ einen kleinen aber feinen Gesellschaftsroman zu schreiben.
Anhand der Freundschafts- und Lebensgeschichte von Lore und Moon lässt sie den Leser das Leben im Nachkriegsdeutschland miterleben. Der Leser wird entführt in längst vergessene und verdrängte historische Episoden Deutschlands und wird erinnert an die Lebensarten, die weitergeführt und neu erfunden wurden. Er beginnt zu verstehen, wie das Damals zum Heute beigetragen hat.

Lilli Becks Roman ist wirklich bezaubernd. Auf ganz wunderbare erzählerische Weise nimmt sie den Leser mit auf eine historische Reise –  auf dem Rücken von Lore und Moon. „Glück und Glas“ ist nicht nur ein Roman über Freundschaft, sondern auch über die deutsche Geschichte, Politik und Gesellschaft.

[lilli] Über die Autorin*
Lilli Beck wurde 1950 in Weiden/Oberpfalz geboren und lebt seit vielen Jahren in München. Nach der Schulzeit begann sie eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau. 1968 zog sie nach München, wo sie von einer Modelagentin in der damaligen In-Disko Blow up entdeckt wurde. Das war der Beginn eines Lebens wie aus einem Hollywood-Film. Sie arbeitete zehn Jahre lang für Zeitschriften wie Brigitte, Burda-Moden und TWEN. Sie war Pirelli-Kühlerfigur und Covergirl auf der LP Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz von Marius Müller-Westernhagen. Glück und Glas ist sowohl eine romanhafte Autobiografie als auch der Roman einer ganzen Generation.
*Quelle: blanvalet