Rezension

Die Kraft, einen Neuanfang zu wagen

Der Himmel am nächsten Morgen -

Der Himmel am nächsten Morgen
von Ira Laudin

Bei diesem Buch haben mich nicht nur die Kurzbeschreibung und das Cover gereizt. Ausschlaggebend war auch der Schauplatz Wuppertal, meine Geburtsstadt, mit der ich mich eng verbunden fühle.

Ich begleite das Leben der Protagonistin Lissi auf zwei Zeitebenen. Beginnend mit dem Jahr 1945 wird die 12-jährige Kriegswaise Lissi von ihrer Tante Helene und deren beiden Kindern liebevoll aufgenommen. Gemeinsam mit diesen durchlebt diese die schwere Nachkriegszeit. Hunger und Kälte sind an der Tagesordnung, Lebensmittel und Kohlen knapp. Die Stadt liegt in Trümmern, Ausgebombte müssen bei fremden Menschen unterkommen. Lissi hilft ihrer Tante tatkräftig im Alltag und bei den Näharbeiten, dennoch ist es ihr Wunsch einmal in einer Buchhandlung zu arbeiten. Als in einer versteckten Dachkammer der Vertriebene Johann einzieht, verliebt sie sich in diesen.

Der zweite Erzählstrang beginnt 1979, als Lissis Ehemann Johann bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt. Der zweite große Schicksalsschlag in ihrem Leben, der ihr und Tochter Miriam großen Kummer bereitet. Erst die Begegnung mit Georg, einem altbekannten Schulfreund ihres Mannes etwa ein Jahr später lässt sie wieder neue Hoffnung schöpfen.

Mit ihrem flüssigen und fesselnden Schreibstil konnte mich die Autorin schon nach wenigen Seiten erreichen. Die Kapitel haben eine angenehme Länge und wechseln jeweils zwischen den Zeitsträngen, die sehr harmonisch ineinandergreifen. Lissi ist eine wunderbare Protagonistin, schon im Kindesalter zeichnet sie sich durch Fleiß und Mut aus. Trotz der schlimmen Erfahrungen glaubt sie an eine bessere Zukunft und gibt die Hoffnung nicht auch. Auch nach dem Tod ihres geliebten Mannes schöpft sie neue Kraft und nimmt ihr Leben neu in die Hand. Mir war Lissi nah wie eine Freundin. Auch die weiteren Charaktere empfand ich als liebevoll ausgestaltet und authentisch, allen voran Tante Helene und die beste Freundin Anna.

Die Beschreibungen der Wuppertaler Schauplätze waren für mich sehr besonders. Briller Viertel, Öhlberg, Tippen-Tappen-Tönchen, Robert-Daum-Platz und Elberfeld. Ich selbst habe nur zwei Schwebebahnhaltestellen entfernt am Westende gewohnt und dort viel Zeit bei meiner Oma verbracht. Die Erinnerung gerade an die 80er Jahre hat mich zurück in meine Kindheit katapultiert. Im Jahr 1979 war ich selbst erst 9 Jahre, kann mich aber noch gut daran erinnern. Die Farbe orange war total angesagt, bei allen Gegenständen des Alltags, so auch bei meinem ersten Kassettenrecorder. Außerdem war in der Wohnung meiner Oma die Zeit stehengeblieben. Bis Anfang der 90er Jahre wohnte diese unverändert in einer 2-Raum-Wohnung mit Kohleofen, fließend Wasser und Toilette auf dem Flur des Treppenhauses und trotzdem war es für mich eine schöne und gemütliche Zeit.

Ach, ich könnte jetzt noch ewig in Erinnerungen schwelgen. Liebe Ira Laudin, Du hast nicht nur eine berührende und wunderschöne Geschichte geschrieben, sondern mir ganz wunderbare Kindheitserinnerungen wieder präsent gemacht. Herzlichen Dank für diese kleine Zeitreise an Lissis Seite. Gerne empfehle ich dieses Buch uneingeschränkt weiter.

Mein Fazit:

DER HIMMEL AM NÄCHSTEN MORGEN ist ein wunderbarer Ausflug in die noch sehr junge Zeitgeschichte mit einer liebenswerten und lebensbejahenden Protagonistin. Trotz zweier Schicksalsschläge verliert sie nie die Hoffnung und wagt einen Neuanfang. Eine wunderschöne Zeitreise in meine Kindheit Anfang der 80er Jahre mit vertrauten Schauplätzen.