Rezension

Die Last einer düsteren Familiengeschichte

Die Tochter - Deiner Vergangenheit entkommst du nicht! - Rose Klay

Die Tochter - Deiner Vergangenheit entkommst du nicht!
von Rose Klay

Kathi hat es nicht leicht im Leben: Sie ist alleinerziehende Mutter, der Vater ihrer Tochter Lucy hat sie in einer überstürzten Aktion verlassen und nie wieder von sich hören lassen. Das Geld ist knapp in der Familie, es muss überall gespart werden, die beiden in Kathis in die Jahre gekommenem Elternhaus. Noch dazu gibt es ein dunkles Geheimnis in der Vorgängergeneration, welches Kathi im dörflichen Stadtteil zu einer Außenseiterin macht, die von anderen Menschen gemieden wird und sich zurückzieht. All diese Umstände fallen leider auch auf die 8jährige Lucy zurück: Das Mädchen wird in der Schule gemobbt und gedemütigt. Am schlimmsten piesacken sie Charlotte und Annabel, zwei Mädchen aus gehobenen Verhältnissen. Nach einer besonders schlimmen Demütigung stellt Kathi Annabel zur Rede und schickt deren Freundin alleine nach Hause – wo Charlotte nie ankommt. Sie bleibt verschwunden, Polizei und Anwohner vermuten das schlimmste. Und der Verdacht fällt auf Kathi, da sie das Mädchen als letzte lebend gesehen hat…

„Die Tochter“ von Rose Klay ist ein Buch, das den Leser fesselt. Es startet sehr schnell, man ist ab dem ersten Kapitel sofort mitten im Geschehen um Kathi und Lucy und bekommt deren Alltag hautnah und nachvollziehbar mit. Vorangestellt ist ein geheimnisvoller und somit verwirrender Prolog, es wird lange nicht klar, zu welcher Zeit dieser spielt und was er mit den eigentlichen Geschehnissen rund um Kathi und Lucy zu tun hat.

Ich finde es sehr faszinierend, wie gut es Rose Klay gelungen ist, die Familiengeschichte unterschiedlicher Generationen ineinander fließen zu lassen und somit die Vergangenheit mit der Gegenwart verschmelzen zu lassen. Auch gefallen mir die vielen psychologischen Nuancen und der (leider nur kurze) Einbezug der wissenschaftlichen „Statement Analysis“, nicht nur hier merkt man, dass die Autorin vom Fach ist und selbst ein Psychologie-Studium absolviert hat.

Dieses Hintergrundwissen hat sich Rose sicherlich auch bei der Konzeption ihrer Figuren zunutzen gemacht: Sie werden sehr facetten- und detailreich dargestellt, jede mit eigenen Angewohnheiten und Charakterzügen. So gelingt es, sowohl naive, antriebslose Personen als auch intrigante Persönlichkeiten und sogar eine autistische Figur realistisch und glaubwürdig darzustellen. Auch wenn man nicht unbedingt jede Person sympathisch findet lernt man sie doch zu verstehen und kann nachvollziehen, warum diese so denken und handeln, wie sie es tun.

Die Sprache ist passend zu den Charakteren sehr düster und traurig, es wird eine immer dunkler werdende Atmosphäre verbreitet, die den Leser schaudern lässt. Die Geschichte erinnert an die traurigen, ungewissen Geschehnissen rund um die kleine Peggy Knobloch oder Madeleine McCann, die lange Zeit die Menschen beschäftigten und stark in den Medien vertreten waren. Mir war in diesem Fall der Täter relativ schnell klar, das Motiv und seine Hintergründe haben mich dann aber doch überrascht!

Der Titel „Die Tochter“ wird beim Lesen immer mehrdeutiger, da ständig weitere Mutter -Tochter-Konstellationen auftauchen – manche auch erst auf den zweiten Blick. Das Cover kann ebenfalls in verschiedene Richtungen interpretiert werden, die fliehende Frau kann eigentlich jede der weiblichen Personen darstellen. Die vorwiegend schwarze Farbgebung verdeutlich wiederum gut das Düstere, das diesen Psycho-Thriller so besonders macht.

Fazit: Ein tolles, psychologisch fein durchdachtes Buch, dass man kaum mehr aus der Hand legen kann – so muss ein spannendes Lesevergnügen sein!