Rezension

Die Liebe ist eine Gleichung mit zwei Unbekannten

Liebe mit zwei Unbekannten - Antoine Laurain

Liebe mit zwei Unbekannten
von Antoine Laurain

~~Laurent hatte eine Puzzle-Frau vor sich. Eine unscharfe Gestalt, wie hinter einer beschlagenen Scheibe, ein Gesicht gleich denen, die einem in Träumen begegnen und deren Züge verschwimmen, sobald man versucht, sich an sie zu erinnern (Seite 60).

Inhalt
Laure und Laurent leben in Paris und sind sich bisher noch nie begegnet. Eines Nachts wird Laure Opfer eines Überfalls, bei dem sie beraubt und so stark am Kopf verletzt wird, dass sie zwar zunächst noch bei Bewusstsein ist, dann jedoch ins Koma fällt.

Laurent ist Buchhändler. Auf dem morgendlichen Weg zu seiner Buchhandlung findet er eine Damenhandtasche, die auf einem Mülleimer deponiert worden ist. Um die Besitzerin ausfindig zu machen, schaut er sich die Tasche genauer an. Der Inhalt ist jedoch wenig aussagekräftig. Außer dem Vorname Laure findet er keinerlei Hinweis darauf, wem die Tasche gehören mag. Seine Neugier wird allerdings durch ein rotes Notizbuch geweckt, in dem Laure eine Liste von Dingen, die sie mag oder vor denen sie Angst hat, aber auch ihre geheimsten Gedanken festgehalten hat.

Laurent ist fasziniert von der Unbekannten und beschließt sich auf die Suche nach ihr zu begeben.

Meine Meinung
"Liebe mit zwei Unbekannten" ist eine ungewöhnliche Liebesgeschichte mit Esprit, Charme und Leichtigkeit, die den Leser mitten nach Paris versetzt.

Man streift mit Laurent durch die Stadt, die der Autor sehr stimmungsvoll in Szene setzt. Seine Suche nach der Unbekannten hatte für mich etwas von einer Schnitzeljagd, bei der der Autor jedoch statt gut platzierter Schnipsel einzelne Protagonisten einsetzt, die Laurent Hinweise über Laure geben. Selbst die Nebenrollen werden liebevoll besetzt und bieten jeder der Figuren eine passende Bühne für ihren noch so kleinen Auftritt in der Geschichte.

Laurent jedoch ist mit all seinen Stärken und Schwächen der Hauptdarsteller des Romans. Er ist Anfang vierzig, geschieden, Vater einer aufgeweckten Tochter und in einer Beziehung mit der Journalistin Dominique, die so gar nicht zu ihm passt, was ihm auch durch den Fund von Laures Handtasche immer bewusster wird. Seine Gedanken dazu fasst der Autor in wunderbaren Worten auf Seite 108 zusammen:

Wie konnte man so einfach aus jemandes Leben verschwinden? Vielleicht genauso einfach, wie man in ein Leben trat. Ein Zufall, ein paar Worte, und schon hat eine Beziehung begonnen. Ein Zufall, ein paar Worte, und schon ist die gleiche Beziehung zu Ende

Was mir besonders gut an ihm gefiel, war seine aufmerksame und vorausschauende Art. Leider war er an manchen Stellen zu neugierig, was das positive Bild ein wenig getrübt, aber zum Glück nicht völlig gestört hat. Er überschreitet zwar Grenzen, ist sich dessen jedoch bewusst, was für ihn spricht. Laure kennenzulernen ist ihm wichtig und ihr näher zu kommen, so elementar, dass er sich teilweise in seinen Tat selber nicht erkennt. Als er jedoch einen Schritt zu weit geht, zieht er sich zurück, wofür der Autor erneut auf Seite 186 Worte gefunden hat, die mich berührt haben:

Kann man über etwas, das nicht stattgefunden hat, Nostalgie empfinden? Das "Bedauern", das wir über bestimmte Abschnitte unseres Lebens empfinden, weil wir fast sicher sind, nicht die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben – vielleicht gibt es davon eine besondere Variante, die uns in einen geheimnisvollen sanften Rausch versetzt: Die Nostalgie des Möglichen. Die Nostalgie der Begegnung mit Laure.

Aber ich möchte auch Laure nicht vergessen zu erwähnen, über die der Leser zuerst nur über ihre Einträge in dem roten Notizbuch mehr erfährt, da sie im Koma liegt. Und diese Einträge haben so viel von ihr offenbart, dass man ihr sehr schnell nahe kam. Ihre Auflistung von Dingen, die sie mag und vor denen sie sich ängstigt, haben ihr Seelenleben gezeigt. Hier hat mir ganz besonders ein neuerer Eintrag auf Seite 201 gefallen, den sie schrieb nachdem sie aus dem Koma erwacht ist und wieder zu Hause war.

Ich mag die Art, wie dieser Mann verschwindet, ohne eine Adresse zu hinterlassen.
Ich mag seinen Brief.
Ich mag, dass er Buchhändler ist
Ich habe Angst, dass er ein bisschen spinnt
Ich habe Angst, ihm nie zu begegnen.

Mich hat "Liebe mit zwei Unbekannten" perfekt unterhalten. Das Buch bezieht seine Spannung aus der Frage, ob und wie die beiden einander finden. Ob sie dies tun, sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten, aber so viel sei gesagt: das Ende ist für mein Empfinden einfach nur perfekt.

Fazit
"Liebe mit zwei Unbekannten" ist eine wunderschöne Geschichte über die Liebe und den Weg dorthin. Vor der grandiosen Kulisse von Paris werden aus zwei fremden Menschen ein Liebespaar. Leseempfehlung für alle, die Liebesromane mögen, die nicht 08/15 sind und gerne mal wieder in die Stadt der Liebe reisen möchten.