Rezension

Ein ruhiger und feinfühliger Roman, der von der ersten Seite an einen gewissen Wohlfühlfaktor ausstrahlt

Liebe mit zwei Unbekannten - Antoine Laurain

Liebe mit zwei Unbekannten
von Antoine Laurain

Bewertet mit 4.5 Sternen

Laure und Laurent sind sich nie begegnet. Beide leben in Paris. Eines Morgens findet Laurent eine elegante Damenhandtasche - augenscheinlich gestohlen und achtlos weggeworfen. Die Tasche verrät ihm zwar nicht den Namen der Besitzerin, doch ihr Inhalt gibt einiges über sie preis: Fotos, ein altmodischer Spiegel, ein Roman mit Widmung des Autors und ein rotes Notizbuch, in dem die Unbekannte ihre geheimsten Gedanken und Träume festgehalten hat. Laurent ist fasziniert von dieser Frau, immer mehr verliebt er sich in ihre Gedanken. Also beschließt er, sich auf die Suche nach ihr zu machen. Aber wie soll er sie finden? 

Meine Meinung

Manche Bücher vermitteln einem bereits auf den ersten Seiten ein absolutes Wohlfühlgefühl, sodass es wie von selbst gelingt sich in die Geschichte fallen und von den Worten des Autors treiben zu lassen. Bei „Liebe mit zwei Unbekannten“ war genau das der Fall.

Zu Anfang wirft Antoine Laurain seine Leser sogleich mitten ins Geschehen und lässt ihn den Überfall, bei dem Laure’s Handtasche gestohlen wird, hautnah miterleben. Von einer auf die andere Sekunde steht sie plötzlich mit nichts in der Hand da. Kein Geldbeutel, kein Handy, kein Wohnungsschlüssel. Der Verlust dieser materiellen Gegenstände ist allerdings nicht das was Laure am meisten trifft, sondern das Gefühl, dass mitsamt ihrer Handtasche auch ein großer Teil ihres Lebens gestohlen wurde. Dieser Gedankengang war für mich durchaus nachvollziehbar, denn immerhin werden in ihrer Handtasche auch private bzw. sehr persönliche Gegenstände gewesen sein, die jetzt eine vollkommen fremde Person zu Gesicht bekommt.

Nach der Überfallsszene wechselt die Perspektive und wir lernen Laurent kennen. Laurent war mir vom ersten Augenblick sympathisch – nicht nur wegen seiner Leidenschaft für Bücher, sondern hauptsächlich weil er so ein angenehmer Zeitgenosse ist. Im Gegensatz zu den vielen anderen männlichen Charakteren, die mir bisher begegnet sind, ist er nicht überzogen dargestellt worden. Er ist ein Mensch wie du und ich, der mit den üblichen Problemen zu kämpfen hat und in dessen Leben auch nicht immer alles rund läuft. Trotzdem versucht er das Beste daraus zu machen: Die Arbeit in seiner kleinen Buchhandlung bereit ihm viel Freude und auch sonst scheint er ganz zufrieden zu sein.

Eines Tages findet Laurent auf einem seiner morgendlichen Spaziergänge durch das Viertel eine Handtasche – Laure’s Handtasche. Zuerst möchte er sie auf dem nächsten Polizeirevier abgeben, doch nachdem er einen Blick hineingeworfen hat, beschließt er sich auf die Suche nach der Besitzerin zu machen. Kein leichtes Vorhaben, wie im kurz darauf vor Augen geführt wird… Als Leser versucht man allerdings nicht nur Laurent bei der Suche nach Hinweisen, Anhaltspunkten etc. zu helfen, sondern man begleitet ihn auch durch seinen Alltag. Dabei erhält man einen guten Einblick in sein bisheriges Leben und darf Bekanntschaft mit seiner Tochter Chloe machen. (Die Szenen mit ihr waren meistens sehr humorvoll und unterhaltsam.)

Den Wohlfühlfaktor, den dieses Buch ausstrahlt, hat man hauptsächlich dem Setting zu verdanken. Durch das Einstreuen bestimmter Wörter, wurde mich schnell klar, dass wir uns in Frankreich, genauer gesagt in Paris, befinden. Für mich definitiv ein Pluspunkt, denn neben England ist Frankreich mein liebster Schauplatz in Büchern. Dank den Beschreibungen des Autors ist der französische Charme gut herübergekommen.

Laure lernen wir natürlich nicht so gut kennen wie Laurent. Dementsprechend konnte ich zu ihr nicht die Verbindungen aufbauen, die ich zu Laurent aufgebaut habe. Dennoch erfahren wir im Verlauf des Buches auch ein bisschen was über sie und ihre Vergangenheit, sodass ich wenigstens sagen kann, dass sie eine wirklich interessante Frau ist.

Der Schreibstil von Antoine Laurain lässt sich ganz wunderbar lesen, sodass man durch die 240 Seiten förmlich getragen wird. Laurain erzählt aus der auktorialen Erzählperspektive, hauptsächlich aus der Sicht von Laurent. Einige Sequenzen dürfen wir jedoch aus der Sicht von Laure, ihrem besten Freund William, Laurents Tochter und dem Autor Pichier verfolgen. Die Übergänge sind fließend, was mich im ersten Moment irritiert hat, dann aber kaum mehr meinen Lesefluss gestört hat. Den Verlauf der Suche fand ich gut gelungen, da er sehr schön und vor allem realistisch dargestellt wurde.  

Mein Fazit

„Liebe mit zwei Unbekannten“ von Antoine Laurain ist ein ruhiger und feinfühliger Roman, der von der ersten Seite an einen gewissen Wohlfühlfaktor ausstrahlt. Sympathische Charaktere, ein lockerer und flüssiger Schreibstil und die eine oder andere humorvolle Nuance runden das Gesamtbild fast vollständig ab. Zwar sind es nur 4,5 Sterne geworden, da mir das letzte Fünkchen noch gefehlt hat, dennoch kann ich dieses Buch jedem nur ans Herz legen. Wer gerne einmal eine Liebesgeschichte lesen möchte, die sich von den anderen ihrer Art abhebt, wird hier sicher fündig werden.