Rezension

Die tiefen Erkenntnisse des Dussels

Die Vögel -

Die Vögel
von Tarjei Vesaas

Bewertet mit 5 Sternen

Mattis!
Mattis ist Ende 30 und lebt mit seiner wenig älteren Schwester Hege in einem einfachen Häuschen am Rande eines Dorfes nah an einem See in Norwegen. Die Schwester verdient beider Unterhalt, mehr schlecht als recht, mit dem Stricken von Pullovern. Das Essen ist knapp, das Haus und das Inventar karg und einfach. Aber Mattis kann nichts dafür, denn Mattis bekommt keine Arbeit.
Er hat es versucht, doch seine Gedanken geraten ihm bei der Arbeit immer wieder durcheinander und so ist er für niemanden eine Hilfe. Mattis hat also den ganzen Tag Zeit umherzustreifen, die Umgebung zu beobachten und den Leuten zuzuhören. So weiß er auch, dass die Dorfbewohner heimlich die zwei verdorrten Baumwipfel, die zwischen dem satten Grün des Waldes herausstechen, Mattis und Hege getauft haben, so wie er und seine Schwester heißen. Im tiefsten Innern weiß er auch, was das zu bedeuten hat. Ein goßes Wunder ist für ihn der Schnepfenflug, genau über seinem Haus, ein großes Unglück, dass er den Jäger auf diesen Vogel aufmerksam gemacht haben könnte, der ihn schließlich tötet.
Große Angst hat er vor dem Gewitter und vor dem Verlassenwerden. Seine Schwester ist für ihn alles, sie gibt ihm Essen, sie ist ein kluger Kopf, er macht, was sie ihm sagt.
Angespornt von einem aufregenden Ereignis, beschließt Mattis eines Tages, mit seinem maroden Boot Fährmann zu werden. Sein einiziger Passagier bleibt Jorgen, doch mit Jorgen verändert sich seine ganze Welt. Aber Mattis ahnt es bereits, die Anzeichen waren eindeutig, schlug der Blitz doch einen der toten Wipfel entzwei. Und jetzt bleibt Mattis nur noch "sich kaputt zu denken" und dem Schicksal auf die Sprünge zu helfen.

Die Geschichte stammt schon aus dem Jahr 1957 und wurde von Knausgard als "bester norwegischer Roman, der je geschrieben wurde" bezeichnet. Bei mir erzeugte dieser Roman verschiedene Ambivalenzen. Zum einen hatte ich wärend des Lesens ständig Mattis als Kind vor Augen, was seinem kindlichen Gemüt zuzuschreiben ist, aber auch in der Zeit war ich um 100 Jahre in die Vergangenheit versetzt und wurde "unsanft" durch vorbeirauschende Autos aus derselben geholt. Und dann durchkreuzten meine Erwartungen ständig die tatsächlichen Ereignisse in dieser Geschichte. Immerzu fürchtete ich ein Ausrasten Mattis, dachte, nun schlägt er zu, oder zerstört etwas, was aber kein einziges Mal geschah. Und auch die Dorfbewohner haben einen milden Umgang mit dem Dussel. Was also sollte zum Schluss noch passieren?

Die ruhige intensive Erzählweise erzeugte eine Spannung, die erst aufgelöst wird, wenn man das Buch zuklappt und über die Geschehnisse anfängt nachzudenken. Weder Schuld noch Systemänderungen habe ich hier gesucht, der Gedanke der logischen Schlussfolgerung blieb übrig und brachte mich damit ins Fahrwasser des Dussels! Große Erzählkunst!

Kommentare

katzenminze kommentierte am 07. Dezember 2020 um 18:37

Das wird auf jeden Fall gelesen! :)

gst kommentierte am 27. März 2021 um 11:32

Die Neugierde ist geweckt. Das wird mein nächstes Buch! Es liegt schon bereit.