Rezension

Dramatische Familiengeschichte angesiedelt im Nahostkonflikt

Jaffa Road -

Jaffa Road
von Daniel Speck

Bewertet mit 4 Sternen

Familiengeschichte innerhalb des Nahostkonflikts. Verlust der Heimat und lebenslange Suche nach Identitäten stehen im Mittelpunkt.

Vertreibung, Flucht, Neubeginn und Heimat sind zentrale Themen diese Buches, das sich inhaltlich um den Nahostkonflikt kurz vor der Staatsgründung Israels 1948  bis in die Gegenwart dreht. Das Besondere: Es werden beide Seiten gleich intensiv beleuchtet. Das Schicksal von Arabern, Juden, Israelis und Palästinensern wird ergreifend und umfassend geschildert.

Da "Jaffa Road" die Geschichte der Charaktere aus "Piccola Sicilia" weitererzählt, habe ich ca. 60 Seiten gebraucht, bis ich mich zurechtgefunden hatten, da ich das andere Buch nicht gelesen habe. "Jaffa Road" ist durchaus als Einzelwerk zu lesen, da die Handlung nach dem Krieg einsetzt und einen anderen Schwerpunkt hat.

Moritz Reincke ist tot. Seine Tochter Joëlle, sein Sohn Elias und Enkeltochter Nina treffen in seinem Haus in Palermo aufeinander. Alle haben eine eigene Geschichte, die sie mit Moritz verbindet, die den anderen zweien nicht bekannt ist. Eifersüchtig hält jeder seine Version für die einzig richtige. Nach und nach entwirren sich die Fäden, wie die drei Familien zusammenhängen und welche Rolle Moritz darin gespielt hat. Die Lebenswege kreuzen sich in der "Jaffa Road", jener Straße in Haifa, die für Moritz und Joëlle zu einer neuen Heimat geworden ist und für eine andere Familie das bittere Sinnbild für den Verlust der Heimat.

Daniel Speck hat eine umfangreiche Familiengeschichte geschrieben, in der auf ergreifende Weise den Konfliktparteien, Palästinensern und Israelis, durch zwei Familien ein Gesicht gegeben wird. Intensiv werden die Geschehnisse von beiden Seiten beleuchtet und das Elend und Grauen verteilt sich über alle. Speck fängt die Atmosphäre und Gefühle der Charaktere sehr gut ein. Kleine Ereignisse spiegeln die große Geschichte und lassen Zusammenhänge erkennen, die für mich vorher nicht immer klar waren.

Die Charaktere sind sehr glaubhaft und detailreich ausgearbeitet. Gerade die Schicksale von Joëlle und noch mehr von Amal sind herzergreifend.

Specks Schreibstil ist umfassend, dass heißt, er läßt die Charakter stark und oft über sich selbst und ihre Situation reflektieren. Die Handlung geht dann teilweise nur schlepped voran, dafür haben die Passagen sehr viel Intensität; ebenso wie die Beschreibungen der Lebensumstände, der Städte und Lager. Die Handlung springt zwischen Palermo und den Orten der Vergangenheit (Haifa, Jaffa, Berlin, Tunis) hin und her und erzählt doch chronologisch das Leben von Moritz nach.

Mir hat das Buch gut gefallen, da mir die politischen und gesellschaftlichen Inhalte zu mehr Verständnis über den Nahostkonflikt verholfen haben. Die Geschichte der Familien ist rührend und läßt einen traurig und bestürzt zurück. Allerdings fand ich die Geschichte insgesamt etwas überladen, weil wirklich sehr viel thematisiert wurde. Vielleicht war dies aber auch nötig, um dem komplexen Konflikt gerecht zu werden. Ich musste mich auch sehr konzentrieren, um die Geschichten von Joëlle und Amal als Kinder nicht zu vermischen. 

Ich vergebe vier Sterne und habe nun eine differenziertere Sicht auf das Thema. Eine Leseempfehlung für alle, die breit angelegte Familiengeschichten mögen und keine Angst vor politischen Themen und einem detailreichen Schreibstil haben.