Rezension

Ein großer Roman, der ein wenig braucht, bis er einen packt

Jaffa Road -

Jaffa Road
von Daniel Speck

Bewertet mit 5 Sternen

Der Autor, Daniel Speck, schildert die Entstehung des Staats Israel aus der Sicht zweier Parteien. Da ist Joelle, sie ist mit Moritz und ihrer Mutter übers Meer gekommen, um hier in dem neu zu gründenden Staat eine Heimat zu finden. Es soll ein Ort entstehen, der den Juden in aller Welt ein Zuhause bietet. Und dann ist da Amal, sie wird die dritte Liebe von Moritz. Sie ist christliche Palästinenserin und wird aus ihrer Heimat Jaffa vertrieben. Sie wird heimatlos, damit dieser neue Staat entstehen kann.

Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich in die Geschichte eingelesen hatte. Das lag vor allem daran, dass mir die Figuren so fremd geblieben sind. Ich konnte einfach keine Nähe bzw. kein Gefühl zu ihnen aufbauen. Doch nach etwa 200 Seiten hatte mich der Konflikt der Erzählung gefangen. Die Errichtung des Staates Israel aus der Sicht von Juden, die hoffen, hier endlich in Sicherheit und Frieden leben zu können und eine Heimat zu finden. Und dann das Geschehen aus der Sicht der Vertriebenen, der Palästinenser, die durch einen Eroberungskrieg ihre Heimat verlieren und kein Zuhause mehr haben. Sie können nirgendwo hin und verstehen nicht, warum ihr Staat plötzlich nicht mehr existiert. Dazu kommt, dass ich als Deutsche zwischen den Stühlen sitze und mich immer wieder gefragt habe, inwieweit ich mir ein Urteil erlauben darf, wer hier der Gute und wer der Böse ist. Denn hat Deutschland nicht einen großen Anteil daran, dass es zu dieser Situation gekommen ist?

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Da ist die Erzählung in der Vergangenheit. Hier wird die Geschichte von Moritz, Yasmina und Amal erzählt. Doch ein Strang spielt in der Gegenwart. Moritz ist gestorben und seine Nachkommen treffen aufeinander. Da ist Nina, seine Enkelin aus der Beziehung zu einer deutschen Frau. Dann Joelle, aus der Ehe mit seiner jüdischen Frau Yasmina. Und Elias, sein Sohn mit Amal. Diese drei treffen aufeinander, wollen teilweise verstehen, was Moritz bewegt hat. Doch da steht auch die Unversöhnbarkeit zwischen Juden und Palästinensern im Raum. Dazu gesellt sich Eifersucht und Unverständnis, warum der Großvater bzw. Vater gegangen ist. Diese Konstellation treibt das Geschehen immer wieder voran, vor allem getrieben von Nina, die die beiden Geschwister nach dem Leben ihrer Eltern fragt und sich die Geschichten aus der Vergangenheit erzählen lässt. Zudem strebt Nina die Versöhnung der drei Nachkommen an.

Ist mir die Hauptfigur, Moritz Reincke alias Maurice Sarfati, zu Beginn des Buches fremd und erscheint er mir distanziert, so schleicht er sich im Laufe des Buches, Seite um Seite in mein Herz. Dieser warmherzige, fürsorgliche, hilfsbereite, treue Mann, der stets den tragischen Helden zu verkörpern scheint. So gerne würde ich ihm beistehen, ihn an die Hand nehmen, um ihm den richtigen Weg zu weisen.

Der Autor hat die Gabe, uns mit jeder Seite der Geschichte mitfühlen zu lassen. Es gibt nicht die Guten oder die Bösen. Jede Gruppe hat ihre guten und ihre bösen Facetten. Ich konnte die Handlungen und Motive von allen Gruppierungen gut nachvollziehen, ihre Gefühle, Träume, Wünsche und doch konnte bzw. musste ich mich für keine Seite entscheiden. Es gibt nicht viele Autoren, die das so gut hinbekommen.

Ein toller Roman, der mit jeder Seite süchtiger macht und deshalb eine klare Leseempfehlung von meiner Seite erhält.