Rezension

Drei Frauengenerationen und ein Familiengeheimnis im Singapur der 60er und 90er

Zuckerbrot -

Zuckerbrot
von Kaur Jaswal Balli

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das Einkaufen und Feilschen auf dem Markt gemeinsam mit ihrer Mutter Jini ist für die 10jährige Pin/Parween  eine Wissenschaft für sich. Von abgepackten Lebensmitteln hält ihre Mutter nichts, nur was sich anfassen und erschnuppern lässt, taugt etwas. Das anschließende Kochen dient in der in Singapur lebenden Sikh-Familie als Geheimbotschaft. Ein lasches Curry oder misslungene Rotis signalisieren eine psychische Krise der Mutter. Die Familie hatte sich - äußerst bescheiden -  gerade zwischen Großstadtleben, Sikh-Traditionen und Schichtdiensten des Vaters als  Sicherheitsmann eines Hotels eingerichtet, als die betagte Nani-ji  (Großmutter mütterlicherseits)  im Haushalt aufgenommen werden muss. Pim muss ihr kleines Zimmer mit Nani-ji teilen, zweimal am Tag werden je zwei Gerichte statt eines gekocht  – und ein strenger Sikh-Gott blickt fortan aus seinem Bilderrahmen auf  die Familie. Unter Omas Fuchtel bleibt nichts wie es war, besonders Jinis Haushaltsführung und die Erziehung Pins findet sie kritikwürdig. Für Pin bedeutet Nani-jis Regime den Verlust ihrer für ein Mädchen ohnehin geringen Freiheiten;  weitreichender sind die Folgen jedoch für ihre Mutter. Die Anwesenheit der Großmutter samt  Einmischung des „dicken Tantchens“ rühren genau das Familiengeheimnis auf,  vor dessen Last  Jini  ihre Tochter bewahren will. Als genaue und empathische Beobachterin hat Pin längst wahrgenommen, dass die Hautkrankheit ihrer Mutter sich unter Stress verschlimmert …  „Zuckerbrot“ als Trost-Essen  symbolisiert Jinis belastende Geheimnis wie auch den Versuch, sich mit ihrem Schicksal  zu arrangieren. Das Ende ist mir jedoch zu glatt; wollte Pins Mutter sie nicht vor der Schicksalsergebenheit bewahren, die ihr eigenes Leben bestimmte?

Der Roman, den Balli Kaur Jaswal bereits als Schülerin begonnen hat, besticht äußerlich durch sein safrangelbes Cover und Vorsatzpapier, das mit lila Leinenrücken und Leseband kontrastiert. Familienstammbaum und Kartenausschnitt bietet der Anhang.

In zwei Erzählsträngen (60er und Beginn der 90er) stellt Balli Kaur Jaswal die Erlebnisse von Mutter und Tochter gegenüber. Wie sie die Hierarchie der Kulturen, Religionen und  Geschlechter im Vielvölkerstaat Singapur erlebt, vermittelt Icherzählerin Pin in liebenswerter  und anrührender Weise. Auf  Balli Kaur Jaswals weitere Werke bin ich daher gespannt.