Rezension

Du musst bei Null anfangen - auch wenn du das gar nicht willst!

Und keiner wird dich kennen - Katja Brandis

Und keiner wird dich kennen
von Katja Brandis

Bewertet mit 3.5 Sternen

Wer den Verlag Beltz & Gelberg kennt, schätz ihn für seine ernsten Themen im Jugendbereich. Dieses Buch handelt von Bedrohung, Stalking, Opferschutz und was es bedeutet, sein gesamtes Leben hinter sich zu lassen.

Lila muss für einen Fehler büßen. Sie hat Robert Barsch in ihr und das Leben ihrer beiden Kinder, Majas und Elias, gebracht. 

Was eine ganz normale Beziehung werden sollte, endet böse. Denn Robert Barsch ist gewalttätig und emotionsgestört. "Robert Barsch ist zum Maßstab ihres Lebens geworden, er hat Macht über sie, ob sie wollen oder nicht." 

Nach der Trennung fängt dieser an, ihre Familie zu terrorisieren. Die Polizei kann erst einschreiten, als es fast zu spät ist und nimmt die Familie ins Zeugenschutzprogramm auf. Das bedeutet, dass bisherige Leben von heut auf morgen zu beenden. 

Doch was bedeutet es erst für einen frisch verliebten, 16 jährigen Teenager? 

""Also, ich kann mir das nicht vorstellen, sorry! Dass ich wegen dieser ganzen Sache Lorenzo verlassen soll!" Sie versucht, halbwegs ruhig zu klingen, Maja Köttnitz, die Vernünftige, so kennen sie alle. Doch so fühlt sie sich jetzt überhaupt nicht."

Und wird der 3 jähriger Elias auch das Geheimnis bewahren können? 

Eindringlich und überzeugend schildert die Autorin Katja Brandis die Geschichte aus Majas Sicht. 
Doch szenenweise entwickelt sich ein Bild von Robert Barsch, dessen Gedankengänge und Rückblicke in die Vergangenheit in die Geschichte einfließen. So können wir als Leser Empathie selbst gegenüber Robert Barsch entwickeln - denn kein Mensch wird böse geboren. Die Umstände, Einflüsse und Umgebung formen uns zu dem Menschen, der wir sind.  

Mit diesem Buch ist der Autorin ein wichtiges Werk gelungen, mit einer kritischen Note auf das deutsche Rechtssystem!

Beim Versuch mich in Majas Situation reinzuversetzen, habe ich mehr als einmal Gänsehaut bekommen. Man gibt nicht nur seinen Namen ab, es bedeutet viel mehr als das. Markante Hobbies wie zum Beispiel verschiedene Sportarten können nicht mehr praktiziert werden, da die Gefahr besteht dadurch erkannt zu werden. Eventuell bedeutet das sogar einen Berufswechsel. Man muss sich immer bedeckt halten, muss sich immer einschränken. Neue Freundschaften werden auf einem Lügengerüst aufgebaut. Alte Freundschaften müssen aufgegeben werden. Selbst Verwandte dürfen nicht kontaktiert werden. Ein Leben im Schatten. Und dieser komplette Identitätsverlust gibt noch nicht mal die Garantie glücklich weiterleben zu können. Die Angst sitzt einem immer eiskalt im Nacken. Ein Nährboden für Paranoia ist geschaffen.

"Schon beim Gedanken daran krampft sich ihr Magen zusammen. Müssen sie wirklich ihr ganzes Leben zurücklassen, alles? Wieso eigentlich werden sie so furchtbar bestraft, obwohl sie nichts getan haben? Wieso sie und nicht derjenige, der ihnen das antut? Sobald der Arsch aus dem Knast entlassen ist, kann er es wieder in seinem Leben gemütlich machen! Und wenn er eine neue Freundin findet, geht das Spiel von vorne los, und jemand anders muss durch die Hölle gehen." 

Zu "Und keiner wird dich kennen" habe ich noch ein interessantes Interview mit der Autorin auf der Leser-Welt Homepage gefunden. Klick