Rezension

Eigentlich genial

Hope's End -

Hope's End
von Riley Sager

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein halbes Jahr lang wurde Kit McDeere von ihrem Job als Pflegefachkraft suspendiert. Aufgrund eines Fehlers, bei dem eine Patientin ums Leben kam, musste sie aussetzen. Doch nun scheinen die Zweifel an ihr behoben und sie soll einen neuen Job antreten. Ausgerechnet auf Hope’s End, das riesige Familienanwesen der Familie Hope an der Steilküste, auf dem im Jahre 1929 drei von vier Familienmitgliedern der Hopes ihr Leben ließen. Beschuldigt wurde die damals siebzehnjährige Lenora, doch bewiesen werden konnte es nie. Nun soll Kit ausgerechnet Lenora pflegen, die nach einer Polioerkrankung und mehreren Schlaganfällen nur noch ihren linken Arm nutzen kann. Nichtsdestotrotz ist es Kit mehr als unheimlich, dass halb verfallene Anwesen der Hopes zu betreten und Lenora gegenüber zu treten. Schnell merkt sie, hier kann sie niemanden trauen.

Ich bin ein Fan von Riley Sagers Thrillern, denn er hat einfach die Gabe, seinen Büchern einen leicht gruseligen, mysteriösen Touch zu verleihen. Auch bei Hope’s End gelingt ihm das zweifellos. Zwar war der Einstieg ein wenig zäh, drehte sich immer wieder um Kit und ihr Vergehen im Job, bei denen es langsam zur Aufklärung kommt, trotzdem war ich recht schnell gefangen von der unheimlichen, bedrückenden Atmosphäre auf dem Anwesen der Familie Hope.
Zweifellos schreibt der Autor einfach nur fesselnd und flüssig und dabei gelingt es ihm mühelos eine Atmosphäre einzufangen, die eine Mischung aus Drama, Mystery und Thriller miteinander vereint. So wie der Verfall des Anwesens voranschreitet, so scheint es auch innerhalb der Mauern der Villa zu faulen. Während man die Ereignisse der Gegenwart aus Kits Sicht erlebt, bekommen wir auch immer wieder Auszüge aus dem Jahre 1929 aus der Sicht Lenoras. Egal wie sehr man miträtselt, man kommt einfach erst zum Ende hin darauf, ob Lenora nun schuldig ist oder nicht. Was man aber schnell herausliest ist, dass auch im noblen Haus der steinreichen Hopes nicht alles gut läuft und alles nur eine schöne Fassade ist. Ab einem bestimmten Punkt bekam ich zumindest eine Ahnung, welches Rätsel sich um Lenora dreht, was allerdings wirklich damals geschah, erfährt man dann erst zum Schluss. Allerdings ist vor allem das letzte Kapitel mein größter Kritikpunkt der Geschichte, mit dem mir der Autor das ansonsten wirklich sehr gut konstruierte Buch ein wenig verdarb. Das war dann einfach zuviel des Guten, lieber Herr Sager. Ab einem gewissen Punkt hätte einfach Ende sein müssen, da die Glaubwürdigkeit dann doch schwand. Aber das betraf für mich wirklich nur das letzte Kapitel oder den Epilog.
Die Atmosphäre des Buches konnte mich absolut packen, denn Sager beschreibt dieses Anwesen auf eine Art, die das Bild des gigantischen Anwesens vor dem inneren Auge sofort auftauchen lässt, allerdings ist der Glanz der Vergangenheit längst vorbei und Hope’s End strahlt etwas verlorenes aus. Wie ein Lost Place, in dem dann doch noch die letzten Bewohner darum kämpfen, dass nicht alles zusammenbricht und das im wahrsten Sinne des Wortes. Auch sonst hat es etwas traurig bedrückendes und auch düsteres an sich, dass immer wieder Gänsehaut bringt.
Die Charaktere haben mir sehr gut gefallen, gerade Kit, die Protagonistin, die ich zu Beginn noch für ziemlich zerstört hielt, hat mich mit ihrer Entwicklung im Laufe der Geschichte überzeugen können. Sie ist hartnäckig und wirklich clever und je mehr ich über sie erfuhr, desto mehr konnte ich sie und ihre Handlungen verstehen.
Auch Lenora Hope mochte ich hier unheimlich gern, trotz der Vorwürfe des brutalen Mordes wirkte sie wie eine ganz besondere Persönlichkeit und je mehr ich über sie erfuhr, desto mehr konnte auch ich sie verstehen. Mit dieser Scheinheiligkeit, mit der sie aufwuchs, hatte ich absolutes Mitgefühl mit ihr – ganz armes, reiches Mädchen.
Die weitere Charaktere blieben geheimnisvoll und die Zweitunterschrift des Buches wurde hier absolut wahr: man hatte einfach nicht die geringste Ahnung, ob und wem man trauen kann, denn jeder verhielt sich auf die ein oder andere Weise sehr komisch.

Mein Fazit: Ein unheimlich atmosphärisches Buch, in dem ein Kinderreim mir regelrecht zum Ohrwurm wurde – Lenora Hope nahm einen Strick… – so sehr konnte mich diese Geschichte fesseln, aber auch berühren. Die Wendungen, auch wenn ich eine davon irgendwann erahnt hatte, waren gelungen und sorgten immer wieder für Erstaunen. Allerdings ist das Ende mein großes Manko, bei dem ich echt dachte: oh, bitte nicht, dass hat mir ein wenig das Buch verdorben, denn bis dato war es ein klarer volle Punktzahlthriller. Trotzdem bekommt dieses Buch von mir eine klare Leseempfehlung!