Rezension

Ein absolut wichtiges Werk!

Wie du mich siehst - Tahereh Mafi

Wie du mich siehst
von Tahereh Mafi

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es ist bereits gefühlte Ewigkeiten her, dass ich das letzte Buch von Tahereh Mafi in Händen hielt. Aber schon damals hat sie mich mit ihrem ausdrucksstarken Stil an ihre Reihe gefesselt - umso mehr habe ich mich auf ihr neues Werk gefreut. Zumal die Ernsthaftigkeit des von ihr gewählten Themas mich alleine schon zu diesem Werk hätte greifen lassen.

Shirin wächst als Muslima in den USA auf. Als Hidschab-Trägerin zum einen und in der Zeit nach 9/11 zum anderen, interessiert es da niemanden, dass sie selbst aus Californien kommt.
Das Leben, die Reaktionen auf sie und das allgemeine Verhalten ihr gegenüber lässt einen als Leser sprachlos zurück - auch wenn jeder von uns eigentlich sehr genau weiß, oder sich zumindest vorstellen kann, was es für Betroffene bedeutet.
Richtig schlimm wurde es für mich aber erst, als ich selbst dachte, dass das was gerade passiert, doch bestimmt übertrieben sei - sich jedoch kurz darauf das Bewusstsein zurück gemeldet hat, dass dem eben leider nicht so ist da Rassismus heutzutage einfach nach wie vor ein großes Thema ist.
Das ist für mich in diesem Moment traurig und beschämend zugleich. Zumal wir selbst es ja auch nicht leiden können, immer auf unsere Geschichte reduziert zu werden, oder?
Andererseits muss ich leider auch zugeben, dass man, Zeitpunkt und damalige Geschehnisse einbeziehend, leider ein Stück weit auch verstehen kann, dass die Menschen Angst haben. Angst vor Terror, Angst vor Anschlägen und Angst vor Gewalt.
Jedoch ist die Art und Weise wie mit Shirin, stellvertretend für andere in ähnlicher Situation gefangene Menschen, umgegangen wird, definitiv die falsche.
Eine Gesellschaft, geprägt von Vorurteilen, Hass und noch mehr Gewalt ist keine, mit der ich mich identifizieren möchte. Anfeindungen, Angriffe und Demütigungen jeglicher Art, bis hin zu tätlichen Übergriffen sollten und dürfen keine Lösung sein.
Man kann wohl schon erahnen, dass es sich bei „Wie du mich siehst“ um keine leichte Kost handelt. Die Grundkomponente, Gefühle zwischen zwei Menschen, die gefühlt aus unterschiedlichen Galaxien stammen, ist zwar vom Prinzip her eher jugendlich angehaucht, jedoch ist Shirins und Oceans Geschichte zu keinem Zeitpunkt so locker und flockig, wie man sich das gerne wünschen würde.

Das führt mich auch zu meinem einzigen Kritikpunkt an diesem Konstrukt. Was die Charaktere betrifft, war ich ein bisschen hin und her gerissen.
Shirin ist... schwierig. Zwar kann man ihre Herangehens- und Verhaltensweisen sehr wohl nachvollziehen. Ihre antrainierte Gleichgültigkeit, ihr Unwille andere an sich ranzulassen und ihre Distanziertheit sind verständlich und haben mich, abgesehen davon, dass man Mitleid mit ihr hat, nicht gewundert. Zumal sie auch ein absolut schädliches Selbstbild von sich hat.
Dass sie versucht Ocean zu schützen und ihn dafür auf Distanz zu halten ist verständlich und eventuell vielleicht sogar löblich. Ihre Unentschlossenheit, ihr Umentscheiden und die damit verbundene fehlende Rücksichtnahme auf ihn, bzw. das Herumtrampeln auf seinen Gefühlen ist mir jedoch manchmal etwas auf die Nerven gegangen. Ein bisschen weniger hätte ich besser gefunden.
Vor allem weil einem, oder zumindest mir, bei Ocean einfach nur das Herz aufgeht. Sein Charakter ist so wunderbar und herzerwärmend, dass man mit ihm leidet, hofft und sich einfach andauernd fragt, warum er solch eine Ausdauer und ein Durchhaltevermögen an den Tag legt. Er wird vermutlich das Herz so mancher Leserin höher schlagen lassen und für den ein oder anderen emotionalen Ausbruch sorgen ;)
Auf jeden Fall wird vermutlich jeder beim Lesen an die ersten Schmetterlinge und das erste Verliebtsein denken. Alleine schon das weckt viele Emotionen und Sympathien.

Für mich ist „Wie du mich siehst“ ein absolut wichtiges Werk. Tiefgründig, emotional und voller sensibler Gedanken regt es hoffentlich zum Nach- wenn nicht sogar Umdenken an. Ich würde es mir wünschen. Denn auch in Sachen Selbstliebe kann man vielleicht noch das ein oder andere mitnehmen.