Rezension

Ein Buch, das begeistert

Greatcoats - Blutrecht - Sebastien De Castell

Greatcoats - Blutrecht
von Sebastien de Castell

Bewertet mit 5 Sternen

Das Cover des Buches ist recht blutig, trotzdem ist es einen zweiten Blick wert. Es zeigt einen mit einem Schwert bewaffneten Mann in einem wehenden Mantel. Die komplette Figur ist in dunklen Rottönen gehalten. Die den Mann umgebenden Blutspritzer, die auch vor dem Titel des Buches keinen Halt machen, tun ihr übriges, dem Cover eine blutige Atmosphäre zu verleihen. Der Mantel des Mannes ist es, der den zweiten Blick auf sich zieht. Er zeigt ein kriegerisches Heer, dass noch einiges mehr an Blutvergießen verspricht. Sonderlich passend finde ich es nicht. Die Greatcoats tragen graue Mäntel, und die bevorzuge Waffe der Hauptperson Falcio val Mond ist das Rapier (auch wenn das Cover natürlich auch einen seiner Gefährten darstellen könnte). Und so blutig, wie das Cover es verspricht, ist die Geschichte beileibe nicht, auch wenn durchaus einige Menschen zu Tode kommen.

Falcio val Mond hat seinen Kindheitstraum wahr gemacht und ist zum Anführer der Greatcoats aufgestiegen. Ein Aufstieg, der sich mit dem Tod seines Königs in einen tiefen Fall verwandelt hat. Die Greatcoats werden verachtet, im besten Fall haben die Menschen für die ehemals geachteten Streitern für Gerechtigkeit nur verächtliche Blicke und Spott übrig, “Mörder” und “Verräter” ist noch das netteste, was sie zu hören bekommen. Unschuldig des Raubmordes verdächtigt versuchen Falcio und seine Gefährten dennoch weiter für Gerechtigkeit einzustehen und die letzte Mission, die ihnen ihr König gab, zu erfüllen.

Es ist Falcio val Monds Geschichte, die Sebastien Castell in “Blutrecht” erzählt, von Falcio erzählen lässt. Die Geschichte eines Jungen, der davon träumt, einer der fast schon vergessenen Greatcoats zu werden – und an der Seite eines weitsichtigen Königs die Greatcoats wieder ins Leben ruft. Zu Beginn des Buches ist dieser Traum im Schwinden, der König tot, seine Greatcoats in alle Winde verstreut. Nichts als Verachtung und Spott bleiben denen, die ihre Mäntel weiter offen tragen. Und dennoch steht Falcio noch immer für Recht und Gerechtigkeit ein, ist dem König über den Tod hinaus ergeben und versucht alles, um die letzte Mission seines Königs zu erfüllen. Damit ist er eine Figur, die tatsächlich all das repräsentiert, was einen Helden ausmacht – und dennoch so greifbar, wie es kein Held sonst sein könnte. Mein Herz hat er im Sturm erobert und mich so in jeder todgefährlichen Situation, in die er sich begibt, schrecklich um ihn bangen lassen. Und das, obwohl Falcio mit der Zunge ebenso geschickt umzugehen versteht wie mit seinen zwei Rapieren und damit zumindest jedem ehrlichen Zweikampf und jeder fairen Situation gewachsen sein sollte. Fair sind jedoch die wenigsten Situationen, in denen er sich befindet – ein Grund mehr, warum die Welt eigentlich mehr als einen Helden wie ihn gebrauchen könnte und die Greatcoats mehr den je braucht.

Mit den Ausflügen in seiner Vergangenheit bekommt der Leser ein Gefühl von der Motivation, die Falcio antreibt, aber auch von dem Schmerz, der ihn zu dem Mann macht, der er heute ist: Der oberste Kantor der Greatcoats. Und auch wenn der Orden in alle Winde verstreut ist, die Menschen nur noch Verachtung für die einstigen Streiter für Recht und Ordnung haben, steht er weiter für das ein, an das er glaubt: Gerechtigkeit – selbst dann, wenn es ihn das Leben kosten könnte. Und dieser Gedanke schwebte mir mehr als einmal im Kopf, wenn er sich wieder einmal für die Gerechtigkeit oder auch nur für das Überleben in einen weiteren aussichtlosen Kampf stürzt. Über einen Mangel an Spannung kann man sich damit wirklich nicht beklagen, mehr als einmal blieb mir fast das Herz stehen und weit mehr als nur einmal hat man Falcios Tod oder auch den seiner Gefährten vor Augen. Zum Glück beherrschen sie nicht nur die Gesetzte des Reiches, sondern auch die der Klingenkunst und Strategie weit besser als ihre Gegner – manchmal ist es aber dennoch nur pures Glück, Vertrauen oder auch Verzweiflung, die sie aus diesen ausweglosen Situationen entkommen lassen.

Auch wenn er dazu ausreichen würde ist es nicht allein Falcio, der die Geschichte in dem Kopf des Lesers zum Leben erweckt. Seine zwei Gefährten Kest und Brasti haben mir mehr als einmal ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert – und fast ebenso oft wie Falcio den Schweiß auf die Stirn getrieben. Der im Schwertkampf fast unbesiegbare Kest, dessen Humor tief in ihm begraben zu sein scheint und der lebenslustige Weiberheld und Meister des Bogens Brasti, der keinen Scherz auslässt und seine Klappe weniger oft hält als es gut für ihm ist. Vielleicht nicht ganz so moralisch wie Falcio, zumindest Brasti, sind die zwei ihm dennoch treu ergeben und nur ein ganz kleines bisschen weniger liebenswert als Falcio.

Und auch wenn es Falcio ist, der den Weg bestimmt, den sie gehen, hat man stets das Gefühl, dass es nicht er ist, der die Geschicke lenkt. Die Barone sind es, die die alte Welt zum Einsturz gebracht haben, ihre eigenen Pläne mit der Welt haben und fast durchweg die Gerechtigkeit mit Füßen treten. Ihre intriganten Ziele sind es, die es zu vereiteln gilt. Und auch wenn die Ziele im Dunkeln liegen sind die Greatcoats gut darin, diese zu stören. Es gibt allerdings jemanden auf ihrer Seite, der mehr weiß: Die geheimnisvolle Schneiderin, die Falcio und seine Gefährten an Orten treffen, die sie nie besuchen wollten. Die deutlich mehr weiß, als sie zugibt oder andeutet und fast immer zur Stelle ist, wenn sie gebraucht wird.

Der große Zusammenhang, den man anfangs nie vermutet hätte und der sich nur langsam offenbart, löst sich erst gegen Ende auf. Dann, wenn sich das Mosaik aus Kämpfen, Aufgaben und Verbindungen zu einem großen Ganzen zusammen setzt, jede Figur ins rechte Licht gerückt wird und es umso wichtiger wird, für die Werte der Greatcoats einzustehen.

Schwertkämpfe, Intrigen, ein Hauch von Magie (wenn auch nicht bei den Greatcoats), rechtschaffene Helden und ein fast nicht zu gewinnender Kampf: “Blutrecht” ist ein Buch das begeistert, eines, das zumindest mich von der ersten Seite an in den Bann geschlagen, an manchen Stellen das Herz stocken lassen und schon weit vor dem Ende völlig überzeugt hat. Ein Buch, das sich seinen Platz in meinem Leserherzen gesichert hat.