Rezension

»Ein Buch wie eine Umarmung«

Herr Mozart wacht auf - Eva Baronsky

Herr Mozart wacht auf
von Eva Baronsky

Bewertet mit 5 Sternen

Ist der Mozart, um den es in Eva Baronskys Buch geht, ein Verrückter? Oder ist das Geschehen ein Traum des sterbenden Mozart? Oder ist der Mann wirklich Mozart?

Wie auch immer – in Eva Baronskys Geschichte liegt Wolfgang Amadé Mozart im Jahr 1791 im Sterben: und erwacht an einem unbekannten Ort, in einer Wohnung im Wien des Jahres 2006. Warum geschieht ihm das? Offenbar, weil er den göttlichen Auftrag hat, sein Requiem fertigzustellen.

Zwei Bewohner einer WG haben ihn, der volltrunken gewesen sein soll, ins Bett ihrer Mitbewohnerin Anju gelegt, die gerade nicht da ist, und hier kommt Herr Mozart zu sich – oder versucht es zumindest. Dass die Welt für jemanden, der nach einem Zeitsprung in unserer Gegenwart landet, äußerst befremdlich ist, ist für Leserin und Leser gut nachvollziehbar. Mozart sieht Fuhrwerke ohne Pferde – er erkundigt sich, wie man ein solches Gefährt nennt, und erfährt: Toyota. Fortan ist »Toyota« für ihn der Begriff für Auto. (Vorsicht!, sagt ein Volvo-Fahrer, dessen Auto Mozart »Toyota« nennt.) Es gibt Kästchen, aus denen Musik kommt, ohne Orchester, mit silbrigen Scheiben – und zudem spielen manche seine Musik. AC/DC, auf einem Hemd aufgedruckt – das wird wohl »Adorate, Cherubim, Dominum Cantu« bedeuten: »Betet an, ihr Engel, den Herrn mit eurem Gesang!« In einem Lebensmittelgeschäft entdeckt er Mozartkugeln. Woher soll das Wasser kommen, wenn er zum Duschen geschickt wird? Wer er ist, kann er niemandem sagen, und kann nicht erklären, dass er aus einer anderen Zeit kommt und all das nicht kennen kann.

Der Roman hat zahlreiche komische Stellen, und für Leser und Leserin ist es interessant und amüsant, die Welt von außen zu sehen, mit den Augen dessen, dem das ihnen Selbstverständliche neu ist. Aber die amüsanten Stellen sind nicht die Hauptsache des Romans. Die Hauptsache ist, dass der Mozart des Romans alles, Gefühle, Eindrücke, Vorstellungen, zu Musik macht: zu Kompositionen, zu Improvisationen auf dem Klavier. Dieser Mann ist Musik und die Beschreibungen, wie das Leben zu Musik wird, sind für mich mit die schönsten Stellen des Buchs. Mozart schließt Freundschaft mit anderen, musiziert im Duett und im Trio wie auch alleine und versucht etwas Geld zu verdienen, was ihm mehr schlecht als recht gelingt. Er erlebt im Jahr 2006 zwei Liebesgeschichten – die für ihn Niedergeschlagenheit und Glück bedeuten. Und am Schluss nimmt die Geschichte eine tragische Wendung – die hier aber nicht vorweggenommen werden soll.

»Ein Buch wie eine Umarmung« hat Robert Schneider laut Rückseitentext Eva Baronskys Roman genannt – und da ist schon was dran.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 01. Juni 2021 um 23:37

Haha, schade, dass das Komische nicht noch wichtiger war, das hätte mich mehr amüsiert als Mozarts Kompositionen. Es ist aber wie es ist. Das wievielte Gesetz ist das?

Steve Kaminski kommentierte am 02. Juni 2021 um 15:06

Also, es werden nicht seine vorhandenen Kompositionen beschrieben, sondern erzählt, wie er Eindrücke, Gefühle etc. aktuell zu Musik macht - etwa am Klavier solo oder im Jazz-Trio. Mozart erweist sich nämlich als herausragender Jazz-Pianist!

Das erste rheinische Grundgesetz: Et es wie et es.

Naibenak kommentierte am 03. Juni 2021 um 08:30

Genau das, was du da beschreibst, macht mich irre neugierig - sowas lieb ich :)

Naibenak kommentierte am 02. Juni 2021 um 08:59

Wie schön, dass auch du so begeistert bist, Stevie :-) bei mir subbt das Buch nämlich noch... da kann ich mich wohl drauf freuen^^

Steve Kaminski kommentierte am 02. Juni 2021 um 15:00

Ja, Bi, ich denke, das kannst Du! Bei mir war das Buch nah dran, unter meine Favoriten zu kommen.

Naibenak kommentierte am 03. Juni 2021 um 08:30

Super - dann kram ich es mal vor und guck, dass ich es noch in diesem Jahr lese *rofl* ;-)

Steve Kaminski kommentierte am 03. Juni 2021 um 20:50

Schon mal im voraus viel Spaß beim Lesen!