Rezension

Ein gut recherchierter historischer Roman!

Die Hafenschwester (2) -

Die Hafenschwester (2)
von Melanie Metzenthin

Bewertet mit 5 Sternen

Martha steht ihre Frau, in Hamburg Anfang des 20. Jahrhunderts...

„Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“ ist der 2. Band einer Trilogie von Melanie Metzenthin. Band 3 wird wohl im September 2021 erscheinen. Man kann diese Bände sicherlich auch einzeln lesen, es gibt genügend Rückblenden. Mir hat es aber sehr gut gefallen, die verschiedenen Entwicklungsschritte der Protagonisten mitzuerleben.

Ich war sofort wieder in der Geschichte, eigentlich so, als ob man gute Bekannte wieder trifft, die man länger nicht gesehen hat...

Es beginnt 1913, Martha und Paul sind verheiratet und haben drei Kinder, Ihre Wohnung ist fortschrittlich mit Gasherd in der Küche und eigenem Badezimmer mit Badeofen und Spültoilette (Marthas Vater fragte, ob es nicht unhygienisch sei, die Toilette direkt in der Wohnung zu haben). Martha arbeitet noch immer ehrenamtlich als Hafenschwester, da Paul gut verdient. Das größte Ereignis dieses Jahres ist für die Familie ein Besuch in den USA bei Marthas Freundin Milli. Milli ist durch ihren Mann gut situiert und schenkt ihnen eine Reise mit dem damals größten Passagierschiff der Welt. Ich habe die „Neue Welt“ durch die Augen von Martha, Paul und den Kindern erlebt und konnte ihre Faszination nachvollziehen. Nach der Rückkehr folgt bald der 1. Weltkrieg, zu dem Paul auch eingezogen wird, obwohl er fast zu alt ist. Ich habe während dieser Zeit an den Nöten und Sorgen teilgenommen, den Hunger gespürt und war erschrocken über Pauls Verwundung. Das Buch endet Advent 1918 mit einer Feier bei Martha mit ihrer Familie und ihren Freunden, dort wird das „Wahlrecht für alle Deutschen“ (S. 481) gefeiert.

Durch Marthas chinesischer Schwägerin erfahren wir viel über die chinesische Kultur und über das Schicksal chinesischer Frauen in der damaligen Zeit.

Die Autorin hat mich sehr gekonnt in die damalige Zeit „gebeamt“, ich konnte mir alles sehr gut vorstellen. Gut, ich bin selbst Hamburgerin, dadurch war mir vieles bekannt, aber das Hamburg eine relativ große chinesische Gemeinde hatte und dass es in Hamburg einen riesigen HH (Helmut Haase) - Vergnügungspark gab, war auch mir vollkommen neu. Aber Melanie Metzenthin lässt uns -quasi nebenbei - tief in die damalige Zeit eintauchen. Durch das Buch werden wir angeregt über die Situation der Frauen damals (z.B. muss Paul Marthas Arbeitsvertrag unterschreiben!), Prostitution und weibliche Homosexualität nachzudenken. Und Martha und Paul sind politische Menschen, deshalb erfahren wir z.B. auch Hintergründe und Erklärungen zum Ausbruch des 1. Weltkrieges. Last but not least nehmen wir auch teil an den Neuerungen in der Medizin, hier besonders in der plastischen Chirurgie.

Fünf Jahre lang habe ich Familie Studt, ihre Angehörigen und Freunde in ihrem normalen Alltagsleben begleitet, mit allen Höhen und Tiefen, habe mit ihnen gelitten, gezittert, gebangt – aber mich ihnen auch gefreut und das eine oder andere Mal geschmunzelt!

Ich finde man merkt deutlich, dass Frau Metzenthin ihre Charaktere gernhat, sie gestaltet sie alle liebevoll und gibt ihnen eine Persönlichkeit, die ich als Leserin sofort nachempfinden kann. Und sie hat wirklich ausgezeichnet recherchiert, so dass „Geschichte“ (politisch oder medizinisch) verständlich wird, so dass auch ich den einen oder anderen „Aha“-Effekt hatte.

Ich kann hier wirklich eine ausgesprochene Leseempfehlung aussprechen und mir die Wartezeit bis zum Erscheinen des 3. Bandes mit anderen Büchern der Autorin „versüßen“!