Rezension

Ein hochspannender historischer Roman mit bisweilen zu starker Heldin

Die Highlanderin -

Die Highlanderin
von Eva Fellner

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die historischen Romane, die ich häufig lese, spielen üblicherweise im 17. bis 19. Jahrhundert und ich habe lange gezögert, ob ich einen Roman über Schottland im 13./14. Jahrhundert wirklich lesen will. Nach Ende der Lektüre bin ich froh, dass ich diesem Buch eine Chance gegeben habe, gerade weil so Vieles neu für mich war, aber auch, weil wir eine sehr untypische weibliche Hauptfigur kennenlernen können. Trotz einiger kleinerer Schwächen habe ich diese Geschichte förmlich verschlungen.

Die Geschichte zweiter Welten

Das erste, was mich überrascht hat, war, wie viel Raum die Vergangenheit der Protagonistin einnimmt, wie viel wir von ihr im Orient sehen. Wenn ich schon über Schottland im 13. Jahrhundert kaum etwas weiß, so trifft dies noch mehr auf Persien zu. Gleichzeitig bietet sich diese Region für historische Romane sehr an, dann gerade in der Wissenschaft waren uns die Menschen dort doch um einiges voraus. Und so habe ich mit großem Interesse und einiges an Überraschung gelesen, wie Enja, die Protagonistin, Heilkunst erlernt und wie gewagt viele der Operationen und Behandlungsmethoden für die damalige Zeit waren – und wie viel man dort schon wusste.

Zurück in Schottland dreht sich natürlich viel um die Unabhängigkeitskriege. Selbst wenn man Geschichte nicht studiert hat, so weiß man doch grob, worum es ging und was geschehen ist. Große Namen wie William Wallace und Robert de Bruce fallen, ohne dass der Fokus wirklich von Enja wegrückt. Die Geschichte bleibt bodenständig, zeigt den Kampf einer starken jungen Frau um Anerkennung und wie sie ihren Clan und ihre Burg erbittert hält. Fiktion mischt sich hier spannend mit Fakten, historische Persönlichkeiten werden zum Leben erweckt, ohne je von der Protagonistin abzulenken. Das ist die größte Stärke dieses historischen Romans.

Eine etwas zu starke Protagonistin

Die Enja, die wir in der Vergangenheit kennenlernen, wie sie zuerst zur Haremsdame, dann zum Assassinen ausgebildet wird, ist eine starke junge Frau – zu stark manchmal. Alles, was sie anfasst, gelingt ihr. Sie lernt problemlos neue Sprachen, eignet sich medizinisches Wissen an, ist nach kurzem Training schneller und gewandter als andere Straßenkinder und übertrifft darin auch bald andere Assassinen. Immer mal wieder scheint es beinahe, als wären wir in einem Fantasy-Roman gelandet, in dem die Heldin übernatürliche Fähigkeiten hat.

Die Enja der aktuellen Zeit, die in Schottland ihren Clan anführt, wirkt da viel menschlicher, echter. Sie ist immer noch stark und den meisten im Kampf überlegen, aber ihr Temperament und ihr Charakter bringen sie immer wieder in Schwierigkeiten, und insbesondere zwischenmenschlich ist sie oft verunsichert und überfordert. Gerade weil sie so stark und unabhängig erscheinen viel, wird sie manchmal schwach. Das ist eine gelungene Darstellung, die in der Vergangenheit fehlt. Generell hatte ich das Gefühl, dass die Enja der Vergangenheit etwas blass bleibt und viele Dinge tut, fühlt und sagt, die dem Plot geschuldet sind. Spannenderweise war es dennoch dieser Einblick in die Vergangenheit, der mich wirklich gefesselt hat – vielleicht, weil die Welt mir so fremd war und ich all die neuen Informationen aufgesogen habe wie ein Schwamm.

Generell hätte ich mir auch mehr ausführlich beschriebene Kampfszenen gewünscht. Uns wird oft gesagt, wie überlegen sie ist, doch wir sehen nur selten wirklich etwas davon. Ich hoffe, dass wir im zweiten Teil mehr von Enja in Aktion sehen werden.

Fazit

Der historische Roman „Die Highlanderin“ ist ein hochspannendes und stark recherchiertes Portrait einer jungen Frau, die sich nicht den Regeln der Zeit fügen will. Während der Fokus stets auf ihr und ihrem Werdegang liegt, lernen wir viel über den Orient, Schottland, die Unabhängigkeitskriege und die Medizin der damaligen Zeit. Auch wenn die Protagonistin Enja bisweilen zu übermächtig wirkt, habe ich doch bis zum Schluss mitgefiebert und ihr Erfolg gewünscht. Trotz kleinerer Schwächen kann ich den im Oktober erscheinenden zweiten Band „Der Weg der Highlanderin“ kaum abwarten.