Rezension

Ein Jahr auf dem Land“ eine schöne und tiefgründige Geschichte.

Ein Jahr auf dem Land - Anna Quindlen

Ein Jahr auf dem Land
von Anna Quindlen

Bewertet mit 5 Sternen

Was im Leben am meisten zählt Rebecca Winter steht an einem Wendepunkt: Von ihrem Mann ist sie geschieden, für ihren erwachsenen Sohn nicht mehr unentbehrlich, und als Künstlerin hat sie längst ihren Zenit überschritten. Jahrelang lebte die berühmte Fotografin sorglos von den üppigen Einkünften eines Schnappschusses. Aber nun ist der Geldstrom versiegt. Notgedrungen beschließt sie, ihr New Yorker Apartment zu vermieten und für ein Jahr in ein kleines Haus fernab der Stadt zu ziehen. Der unfreiwillige Landaufenthalt ist kein Spaziergang im Central Park – und doch beschert er Rebecca eine unverhoffte Liebe, neue Inspiration und den Mut, unbekannte Wege zu beschreiten ...

Es ist nie zu spät für einen Neuanfang, auch wenn man manchmal aus verschiedenen Gründen dazu gezwungen wird. Nun ist es der Lauf des Lebens, den kann man nicht aufhalten.
Bislang hatte die bekannte Fotografin Rebecca Winter ein gutes Leben geführt, finanziell keine Sorgen. Jetzt aber war sie gezwungen, ihr New Yorker Appartment zu vermieten. Über das Internet hatte sie ein kleines Häuschen, fernab von New York, gefunden und für ein Jahr gemietet. Die durch einen meisterlichen Schnappschuß bekannt gewordene sechzigjährige Rebecca Winter, kann von ihrem Ex-Mann, einem Professor, keine finanzielle Unterstützung erwarten. Denn da sind noch ihre Eltern, beide krank, pflegebedürftig, und der Sohn Ben, die auf Rebeccas finanzielle Hilfe angewiesen sind.
Was sie dort in der Einsamkeit erwartet, übertrifft all ihre Vorstellungen. Noch nie hatte sie in einer derartigen Behausung gewohnt. Völlig unvorbereitet ist Rebecca in ihrem neuen Leben angekommen. Doch sie musste sich mit den Tatsachen anfreunden. Dann haust auch noch ein alter Waschbär auf dem Dachboden, der sie in Angst und Schrecken versetzt. Rebecca lässt den Dachdecker kommen, der ihr erklärt, dass diese Tiere immer in ihre alten Verstecke zurückkehren.
Was ihr bleibt, ist die wunderbare Natur ringsum. Eines Tages bekommt sie Gesellschaft von einem streunenden Hund, den sie Jack nennt. Mit Jim, dem Dachdecker, freundet sie sich schon an. Dieser arbeitet an einer Studie von Vögeln für eine Gesellschaft und sie macht Fotos. So bekommt sie wenigstens etwas Geld.
Dann gelingt ihr eine ganz besondere Fotoserie, deren Inspiration sie in der Natur gefunden hat, und ist plötzlich wieder in aller Munde.
Aus der Freundschaft zu Jim wird mehr, doch Rebecca fühlt sich verletzt, als er nach der einen Nacht am nächsten Abend nicht wie versprochen vorbei kommt. Dass das einen Grund hatte, erfährt sie später.
„Ein Jahr auf dem Land“ ist nicht ausschließlich eine Liebesgeschichte. Ich würde sagen, eine Lebens- und Liebesgeschichte. Rebeccas Suche nach sich selbst, sich neu zu finden, und auch Frieden zu schließen, mit den Eltern, ihrem Sohn …
Die Handlung ist interessant, beginnt leicht amüsant, hat aber auch ernste Passagen. Jedes Kapitel trägt eine Überschrift, die perfekt zum Verlauf passt.
Rebecca als Charaktere entspricht keinem Klischee, obwohl mich ihre Handlung, blindlings das Haus per Internet zu buchen und dann auf eine Bruchbude zu treffen, etwas gestört hat. Doch alle weiteren Schritte und Taten waren für mich recht gut nachvollziehbar. Ihre Beziehung zu Jim scheint unkompliziert, doch dieser gibt sich auch sehr verschlossen. Aber das macht ihn wiederum interessant. Die Autorin erzählt hier eine Geschichte und oft hat man das Gefühl, dass alles eine Bedeutung hat. Eben kein 08/15-Roman.
Sein Leben auch im späten Alter neu zu erkunden, den Mut zu haben, sich auf Dinge einzulassen, findet hier mit „Ein Jahr auf dem Land“ eine schöne und tiefgründige Geschichte.