Rezension

Ein Millionär auf Wallraff-Mission

Drei Männer im Schnee. Inferno im Hotel - Erich Kästner

Drei Männer im Schnee. Inferno im Hotel
von Erich Kästner

Bewertet mit 5 Sternen

Aus purer Neugier hat der Multimillionär Eduard Tobler unter falschem Namen bei einem Preisausschreiben teilgenommen und einen Hotelaufenthalt in den Bergen gewonnen. Er beschließt, seinen Gewinn dort als mittelloser Herr Schulze einzulösen, um einmal zu erleben, wie sich die Welt aus einer anderen Perspektive anfühlt. Sein treuer Kammerdiener Johann, um das Wohl seines Herrn besorgt, reist inkognito als reicher Schiffsreeder Kesselhuth mit. Als durch eine Indiskretion die Information über den getarnten Millionär durchsickert und auch noch ein zweiter mittelloser Preisträger auftaucht, nimmt das muntere Vewechselspiel seinen Lauf.

Das könnte der Stoff für eine billige Komödie werden, aber Kästner löst die Aufgabe brilliant, daraus eine amüsante und geistreiche Gesellschaftssatire zu machen. Immerhin datiert die Erstveröffentlichung auf das Jahr 1936; Kästners Werk war bereits verboten und konnte nur in einem Schweizer Verlag erscheinen (es handelt sich hierbei übrigens um eben diesen Atrium Verlag, von dem diese Ausgabe stammt). Ganz subtil befasst sich der Autor denn auch im ersten Vorwort (ja, denn es gibt solcher zwei, und beide vom Autor!) mit dem Thema Zensur.

Mit wunderbar anmutigem Sprachwitz führt uns Kästner durch die turbulente Geschichte. Man liest von wohltemperierten Treibhäusern und impertinent gestreiften Flanellhemden und möchte in einem fort zitieren ...

Man blickt durch das zweihundert Meter lange Schmiedegitter in einen verschneiten Wald, der jegliche Aussage verweigert.

Der Sonnenschein, der streifig über dem Bergpfad schwebte, sah aus, als habe ihn eine gütige Fee gekämmt.

Irgend jemand hat mir gesagt, dass es zu dem Buch einen Film gibt. Und schon entsteht ein wunderbares Schwarzweiß-Filmkunstwerk in meinem Kopf. Der Mann kann hinreißend frische Dialoge schreiben, dass es eine Freude ist.

Was die Darstellung der Frauen angeht, war Kästner trotz Bücherverbrennung dann wohl doch ein wenig Kind seiner Zeit. Und auch wenn man ob einer Bemerkung wie: "Wenn eine Frau gehorcht, darf sie sogar gebildet sein" ins Hüsteln gerät (ich dachte kurz sogar: und so jemanden haben die Nazis auf den Index gesetzt? - bevor mir einfiel, dass bei ihnen eine Frau GAR nicht gebildet sein durfte...), so verblasst dieser aus unserer heutiger Perspektive berechtigte Kritikpunkt vor der wunderbaren Gesamtkomposition. Ich habe oft herzhaft lachen müssen bei der Lektüre und mich erstklassig unterhalten gefühlt, und dafür vergebe ich gerne die volle Punktzahl.

"Im Baedeker vergleicht man diesen Wasserfall mit einem Kronleuchter", bemerkte Hagedorn.
Schulze setzte sich auf eine eisgekühlte Baumwurzel und sagte: "Ein Glück, dass die Natur nicht lesen kann."

Kommentare

wandagreen kommentierte am 30. Dezember 2019 um 10:14

Haha, ja, sehr gut. Danke für die Zitate! Habs nur als Film gesehen und als Kind und jede Art von Gesellschaftskritik ist mir damals entgangen.

Emswashed kommentierte am 30. Dezember 2019 um 16:52

Ja, die Rezi macht richtig Lust auf das Buch.