Rezension

Ein sehr empfehlenswerter Roman

Die Spur der Stachelbeeren - Ulrike Ladnar

Die Spur der Stachelbeeren
von Ulrike Ladnar

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Spurensuche im Ludwigsburg von 1918

Ulrike Ladnar hat einen bemerkenswerten historischen Roman über (fiktive) Ereignisse in Ludwigsburg im Jahr 1918 geschrieben. Der Schreibstil ist ungewöhnlich, mir fiel dazu spontan das Wort „apart“ ein (und ich hab' eben extra im Synonym-Wörterbuch nachgesehen: es trifft es tatsächlich!), mir persönlich hat diese Art des Schreibens sehr gut gefallen.

Lynn, eine junge Frau Anfang 20, bringt nach dem Tod der Mutter, einer Engländerin (nicht ganz unwichtig: Deutschland befindet sich im 1. Weltkrieg!) ihren Vater und ihren jüngeren Bruder durch die Kriegswirren und hofft auf Frieden. Ihr älterer Bruder ist eher widerwillig in den Krieg „gezogen“. Lynn selbst arbeitet in einem Lazarett. Im Sommer/Herbst 1918 finden dann Geschehnisse statt, die das Leben von Lynn (und ihrer Familie) ziemlich aus den Fugen geraten lässt. Es ist sehr spannend, als Leser an diesen Entwicklungen teilzuhaben...

Ulrike Ladnar ist es m.E. großartig gelungen, den Zeitgeist des damaligen Jahres einzufangen und uns Lesern zu vermitteln: wir erfahren einiges über die Ängste und Nöte (aber auch über Hoffnungen und Träume) der Protagonisten, spüren deren Unsicherheit über den Übergang von der Monarchie zur Demokratie, nehmen die Sorgen über mangelnde Versorgung  wahr und freuen uns mit ihnen über glückliche Ereignisse. Wir meinen, manchmal den Duft der Stachelbeeren (oder unangenehmer: die Ausdünstungen im Lazarett) riechen zu können...

Eigentlich ein eher ernstes Buch, aber zwischendurch tauchen immer mal wieder Passagen auf, bei denen ich durchaus geschmunzelt habe, z.B. wie Bertha, die schwäbische Köchin der Familie, in ihrem Kriegskochbuch (S. 109) die Herstellung von Tschattnej beschreibt (nicht erraten? Ich empfehle, dass Buch zu lesen!) oder wie sich Babette, Lynns Oberschwester an Mirabellen erinnert: “Ich weiß noch, wie sehr damals meine Eltern lachen mussten, als sie hörten, wie die Leute hier diese gelben Fruchtkügelchen nannten: Scheißpfloimla, ein Wort, das normalerweise verboten war...“ (S. 254). Es blinzelt immer wieder ein gewisser Schalk durch...

An passenden Stellen (und wirklich: nur dort!) sind zwischendurch englische und schwäbische Worte und Redewendungen eingefügt, die sehr gut in den Zusammenhang passen – sogar ich als Norddeutsche konnte die schwäbischen Sätze verstehen, ohne nach einer Übersetzungshilfe zu jammern...

Ich schreibe selten etwas zum Cover, aber mir hat das Bild der Stachelbeeren hier wunderbar gefallen, es ist stimmig und ausgesprochen passend.

Ich habe „Die Spur der Stachelbeeren“ als einen sehr faszinierenden Roman empfunden, der in mir noch intensiv „nachhallt“. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dieses Buch nach einiger Zeit noch einmal zu lesen... Deshalb: eine deutliche und klare Leseempfehlung!