Rezension

Ein simpler Eingriff am Gehirn eines Menschen

Ein simpler Eingriff -

Ein simpler Eingriff
von Yael Inokai

Bewertet mit 4 Sternen

Ein simpler Eingriff erschien 2022 in Berlin im Carl Hanser Verlag. Inokai erzählt darin aus der Perspektive von Maret, einer Krankenschwester von lesbischer Liebe und einer Gesellschaft die Menschen krank macht und mittels operativer Eingriffe meint, heilen zu können.

Ein Roman über einige Patienten und das medizinische Personal in einer psychiatrischen Klinik. Der Doktor wählt Maret zu seiner Assistentin während er die psychischen Störungen operativ entfernen soll. Die Patientin Marianne soll von ihrer Wut geheilt werden. Die Operation misslingt, Marianne befindet sich vorläufig im Wachkoma. Meret kommen Zweifel an der Operationsmethode des Doktors. „Es ist zu einem Zwischenfall gekommen. Zu einer Entgleisung meinerseits. Seither habe ich meine Zweifel daran, wer oder was ich bin,“ sagt Maret. Marianne erholt sich, der Doktor will eine nächste Operation, doch Maret und Sarah haben einen Plan.

Inokais Roman bietet dem Leser trotz des scheinbar leicht dahinfließenden Schreibstils mehrere Betrachtungsebenen. Ohne Zeit- und Ortsbezug spielt der Roman auf eine dunkle experimententhemmte menschenverachtende Vergangenheit in psychiatrischen Kliniken an. Beginnend in den 1930er- bis 1970er-Jahre, ein düsteres Kapitel der Medizingeschichte. Als man noch glaubte den Menschen mit einer Operation (Lobotomie) heilen zu können, oder um ihn vielmehr „ruhig zu stellen“.
Es ist mehr als ein historischer Roman. Fast gleichwichtig ist die feinfühlig erzählte Liebesgeschichte zwischen Maret und Sarah. Es hilft Maret, sich aus dem starren Spitalsystem zu befreien, sich nicht nur als funktionierende Uniformierte zu fühlen.

Yael Inokai (* 1989 in Basel als Yael Pieren) ist eine Schweizer Schriftstellerin. Sie ist die Tochter einer Deutschen und eines Ungarn. Ab 2011 studierte sie Philosophie in Basel und Wien, ab 2014 Drehbuch an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. 2012 erschien ihr erster Roman, Storchenbiss, 2017 ihr zweiter Roman Mahlstrom wurde 2018 mit einem der hochdotierten Schweizer Literaturpreise ausgezeichnet. Inokai ist Leiterin von TextTransit des Studierendenwerks Berlin und lebt in Berlin.

Die Vorlage für das Covermotiv stammt von Helena Parada Kim, entstanden 2017 mit dem Titel Nurse at a window, Öl auf Karton, 30 x 20 cm. Nurse at a window stammt aus einer umfangreichen Serie von Schwesternbildern, die wie der Roman von Inokai einen sehr weiten Interpretationsspielraum gewähren.
Helena Parada Kim wurde 1982 als Tochter einer koreanischen Krankenschwester und einem spanischen Gastarbeiter geboren. Sie ist in Köln aufgewachsen und studierte Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf, wo ihr künstlerisches Können als Schülerin von Professor Peter Doig, einem weltberühmten Künstler, anerkannt wurde.