Rezension

Reichlich gezielte Unschärfe

Ein simpler Eingriff -

Ein simpler Eingriff
von Yael Inokai

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses Buch macht es einem nicht leicht.

Zwischenzeitlich dachte ich, man könnte es vielleicht mögen, wenn man gerne Liebesgeschichten liest, aber dann wäre man vermutlich an anderer Stelle unzufrieden. Fakt ist: Ich bin unzufrieden.

Es ist für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert, schockierenderweise in der Kategorie "Beste Unterhaltung", eine Idee, auf die ich nie gekommen wäre. Der Text ist von einer lakonischen Ironie durchzogen, das stimmt, aber die Atmosphäre ist eher bitter, enttäuscht, wenn nicht gar verzweifelt.

Hier weiß man am Ende nicht so recht, worum es eigentlich gehen sollte, die Nominierungsjury spricht da von „gezielter Unschärfe“ und fühlte sich aufs Feinste unterhalten. Das ist vermutlich der einfachste Weg, mit diesem Buch zurecht zu kommen. Ich bin eher verwirrt.

Zunächst geht es um fragwürdige chirurgische Eingriffe, die Menschen mit psychischen Problemen ruhigstellen sollen. Spannend und einfühlsam erzählt Krankenschwester Merit von ihrem Alltag. Als sie sich in eine Kollegin verliebt tritt das alles in den Hintergrund. Später wird ihre Schwester zum Thema, die ausgestiegen ist und nach einer eigenen Art zu leben sucht.

Wir halten fest: Mehrere Frauen suchen entgegen der gesellschaftlich vorgegebenen Laufbahn nach dem Glück in einer gezielt unscharfen Zeit. Das wird eindrucksvoll und in toller Sprache dargeboten, ist mir am Ende aber insgesamt zu unscharf. Das ist ein bisschen Nippen an Emanzipationsthemen, durchsetzt mit grenzensprengender Liebe und wissenschaftlichen Absurditäten, aber nichts davon richtig.

Ich mag die Sprache und die Atmosphäre des Buches sehr, auch die Sprecherin des Hörbuchs liest fantastisch, das Thema bleibt allerdings für meinen Geschmack zu schwammig und die Liebesgeschichte viel zu dominant im Gesamtzusammenhang.

Der Deutsche Hörbuchpreis wird am 28.2.2023 verliehen, ich bin höchst gespannt.