Rezension

Ein solider, unterhaltsamer Krimi aus der Provence

Tödliche Camargue
von Cay Rademacher

Bewertet mit 4.5 Sternen

Für all diejenigen, die etwas für Kunst, Geschichte und Politik übrig und nichts gegen eine Reise in die Provence und Camargue, wie ein Glas Rosé einzuwenden haben.

Die Rezension bezieht sich auf das Hörbuch, Spieldauer: 10 Stunden und 23 Minuten, gelesen von Oliver Siebeck.

Es ist ein solider, gekonnt aufgebauter Krimi mit spannenden Figuren, einem recht ausgeprägten Bezug zur Kunst und Politik, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Gute, intelligente Unterhaltung.

In der sengenden Augusthitze untersuchen Roger Blank, ein aus Paris in die Provence versetzte Capitaine und seine Kollegen den Tod von Albert Cohen. Er war ein Reporter eines Politmagazins, TV-Star, von dem man nicht gleich vermuten würde, dass er durch die Camargue mit dem Rad unterwegs ist. Sein Tod ist schon recht skurril: ein Kampfstier hat ihn aufgeschlitzt. Vordergründig sieht es nach einem Unfall aus. Roger Blank will aber das Ganze nicht dabei bewenden lassen und ermittelt zunächst, als ob es ein Mord gewesen wäre. Es stellt sich heraus, dass Albert Cohen im Haus seines Verlegers wohnte und einen Artikel über Vincent van Gogh für sein Magazin schreiben wollte. Aber wie und warum es zu Cohens Tod kam, ob wegen seiner Recherchen zu van Gogh oder aus einem anderen Grund, das will Captaine Blank genauer unter die Lupe nehmen.

Dieser Fall hört sich fast wie eine Gesellschaftsstudie an: Der Bezug zur Politik ist schon recht präsent, ob heute, egal, dass Provence weiter weg vom Paris liegt, die Strippen werden immer noch dort gezogen, oder vor paar Jahrzehnten, als eine terroristische Gruppierung einige Morde auch im Süden verübt hatte. Die Probleme von Blancs Kollegin, die vor der Hochzeit mit ihrer Lebensgefährtin vom Bürgermeister die Steine in den Weg gelegt bekommt, kommen hier und dort zur Sprache. Die hohen Politiker in Paris und die jungen Leute in der Provence, die Drogen als festen Bestandteil des Lebens erachten, etc. all diese Dinge lassen an eine kritische Analyse der heutigen franz. Gesellschaft denken. Zugleich ist es eine Art Kunststudie, die Geschichte ungemein bereichert: Der Bezug zur Kunst durch die Untersuchungen zu van Gogh erlaubt einige ungewöhnliche Einblicke in sein Leben und die Wahrnehmung seiner Künstlerperson und ihrer Bedeutung heute. Die Morduntersuchung an sich ist der Motor der Handlung und hält alle Stränge zusammen, obschon ich einen guten Tipp gleich zu Anfang hätte, wer der Mörder ist. Aber das ist vor dem reichhaltigen Hintergrund nicht weiter von Bedeutung.

Die Figuren sind spannend, haben alle ihre eigenen Geschichten und auch die Mordmotive. Die Begegnung mit ihnen hat für unterhaltsame Stunden gesorgt. Etwas zum legendären roten Reis aus der Camargue erfährt man auch so ganz nebenbei. Das heimische Werkeln fiel damit wesentlich leichter aus. Ich war so von diesem Krimi begeistert, dass ich gleich den ersten Fall mit Roger Blanc als Hörbuch geholt habe.

Oliver Siebeck hat wunderbar gelesen. Auch Frauenfiguren gelingen ihm sehr gut. Seine Stimme passt zu der Geschichte und ihrem südfranzösischen Flair. Danach geht einem fast so, als ob man in der Provence Urlaub gemacht hätte.

Fazit: Für all diejenigen, die etwas für Kunst, Geschichte und Politik übrig und nichts gegen eine Reise in die Provence, bzw. Camargue, wie ein Glas Rosé einzuwenden haben. Dafür gibt es vier hell leuchtende Sterne und eine Hörempfehlung.