Rezension

Ein unberechenbarer Roman über das Schicksal zweier Brüder und der Verlockung des schnellen Ruhms

Golden Boy - Aravind Adiga

Golden Boy
von Aravind Adiga

In seinem dritten Roman „Golden Boy“ erzählt der indische Autor Aravind Adiga die Geschichte zweier Brüder ihre Erfüllung in einem Sport zu finden, dessen Macher und Talentsucher sie gnadenlos ausbeuten. Der Vater von Manju und Radha Kumar ist ein Despot und treibt seine Söhne durch fragwürdige Erziehungsmethoden, Drill und Spott zu Höchstleistungen an.In den Augen des Vaters ist sein ältester Sohn Radhu auf den Weg zum besten Schlagmann in der Geschichte des indischen Crickets zu werden. Doch seine Träume zerplatzen jäh und das Leben übernimmt seine eigene Regie und entzieht dem Vater den Einfluß in die Karriere seiner Söhne, die ihre Jugend für die Mittelmäßigkeit opfern. Cricket bedeutet für die Familie, dem bereits verbotenen, aber immer noch gängigen Kastensystem Indiens und der allgegenwärtigen Armut Mumbais zu entgehen.

Das Talent wird gefördert ohne die Begeisterung zum Sport zu hinterfragen. Cricket steht hier als Beispiel für die Maschinerie des Profisports und die Ausbeutung junger Menschen. Man muss die Regeln dieses Sports nicht unbedingt verstehen, um der Handlung folgen zu können. Der geschichtliche Hintergrund und die lange Tradition des Crickets ist informativ und gut in die Handlung verwoben.

Die Darstellung von Mumbai und der indischen Lebensart ist visuell prägnant umschrieben. Es beschleicht einen das Gefühl, Indien mit allen Sinnen wahrnehmen zu können. Dennoch wird der Leser nicht von der gängigen Armutsromantik weichgespült. Der Autor zeigt Indien`s wahres Gesicht, fernab vom Bild das Tourismus und Medien suggerieren.

Anfangs empfindet man die sperrige Komposition von Aravind Adiga noch mühsam. Diesen Roman muss man sich zunächst erarbeiten. Die Emotionen lassen sich schwer aufnehmen und eine pessimistische Grundstimmung durchläuft die gesamte Handlung, die sicherlich der Zwanghaftig – und Perspektivlosigkeit des Vaters geschuldet ist. Die Mutter verließ früh die Familie, die Hintergründe hierzu werden angeschnitten, aber nicht vollends geklärt. Man spürt deutlich die fehlende Liebe und Wärme für die beiden Jungs. Bis zuletzt gelingt es Manju und Radha nicht, sich aus den Fesseln, die der Vater ihnen anlegt, zu befreien und ihrer auferlegten Bürde zu entkommen. Die Brüder stehen für die rechtlose Mehrheit Indiens, die sich nur mit Müh und Not über Wasser halten können.

Die zwischenmenschlichen Konflikte und die unterschiedliche Entwicklung von Manju und Radha bilden das Kernstück dieses Romans. Die beiden Charaktere werden vom Autor mit viel Intensität bedacht und mit Fortlauf der Geschichte wächst auch das Verständnis für die jungen Männer. Sie entdecken ihren Körper, das andere Geschlecht, ihre eigene Sexualität und kämpfen ständig mit den abstrusen Regeln des Vaters, der diese Entwicklung ständig unterdrückt. Man begleitet sie auf der Suche nach sich selbst und hofft bis zuletzt, das sich ihre Träume erfüllen.

 

4 Sterne für diesen zwar schwermütigen, aber dennoch unterhaltsamen Roman. Eine Empfehlung für alle, die sich das „wahre“ Gesicht Indiens vor Augen führen möchten.