Rezension

Eine berührende Geschichte

Die Farben meines Herzens - Noa C. Walker

Die Farben meines Herzens
von Noa C. Walker

Bewertet mit 5 Sternen

„...Liebe ist das höchste Gut, das wir erhalten und verschenken können. Deshalb müssen wir mit dem Herzen sehen und mit dem Herzen handeln...“

 

Die Geschichte beginnt mit dem kurzen kursiven Bericht von Filomena. Als Kind ließ sie sich treiben wie ein Schmetterling. Als Jugendliche tanzte sie wie eine Seiltänzerin durch ihre Tage. Als junge Frau breitete sie ihre Flügel aus wie ein Adler.

Dann beginnt im Jahre 2015 die eigentliche Handlung nahe von Meran in der Südtiroler Bergwelt. Mika ist Forstwirt. Er war von Franco, seinem Chef, zu einer Kundin geschickt worden, um dort Windbruch zu beseitigen. An einem landwirtschaftlichen Betrieb stellt er sein Auto ab. Der restliche Weg ist nur zu Fuß begehbar. In einem fast paradiesischen Grundstück auf der Höhe trifft er Filomena. Sie kommt ihm etwas eigenwillig vor. Zwar hat sie einen feinen Humor, aber sie baut auch wie eine Schranke zwischen sich und Mika auf. Er akzeptiert ihr Verhalten, würde aber gern wissen, was oder wer sie so verletzt haben muss.

Die Autorin hat einen Gegenwartsroman geschrieben, der mich tief berührt hat. Die Geschichte lässt sich zügig lesen. Es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen.

Im Mittelpunkt stehen zwei Personen. Das sind Filomena und Mika. Sie werden gut charakterisiert. Zwei Aussagen über Filomena finde ich so wichtig, dass ich sie hier zitiere. Sie selbst sagt über sich:

 

„...Dem Schmetterling von einst waren die Flügel verbrannt. Die Seiltänzerin war gestürzt...“

 

Was dazu geführt hat, erfahre ich im Laufe des Geschehens. Wer das wissen möchte, sollte das Buch lesen, denn dazu werde ich keine Ausführungen machen.

Genauer beschreibt Meggy, ihre mütterliche Freundin die junge Frau:

 

„...Filomena war wie eine Melodie. Sie begann in fröhlichem Dur, wurde immer leiser und rutschte in Molltöne ab, in die sich Disharmonien einschlichen. Und dann endete das Lied abrupt, ohne den Schlussakkord je erreicht zu haben...“

 

Mika ist ein großer Mann. Er zeichnet sich durch seine Gelassenheit und eine Sanftmut aus, die man ihm nicht zutraut.

Der gehobene Schreibstil macht die Geschichte zu etwas Besonderem. Dabei ziehen sich drei Stilelemente wie ein roter Faden durch die Geschichte.

Zum einen kommt Filomena zu Beginn mehrerer Kapitel selbst zu Wort. Dort werden die Themen Schmetterling, Seiltänzerin und Adler wiederholt aufgegriffen. Sie stehen für Veränderung, sei es zum Positiven oder zum Negativen.

Zum zweiten spielen Farben im Buch eine besondere Rolle. Filomena zeichnet unter anderem. Das Bild ihres Lebens wird durch Farben symbolisiert. Auch hier möchte ich meine Worte durch ein Zitat unterstreichen:

 

„...Gott ist ein Meistermaler. Und dies nicht nur, was die Farbenfülle auf Erden anbelangt oder die bunten Muster, die er an den Himmel wirft. Er zeichnet auch unser Leben. Dabei spart er nicht an leuchtenden Farben, allerdings auch nicht an Schwarz und Grau...“

 

Und der dritte Aspekt, der ab und an aufgegriffen wird, ist die Musik. Hierfür steht das obige Zitat von Meggy.

Im Laufe der Handlung erhalte ich ebenfalls einen Blick in Meggys Leben. Es ist ein Leben der Wandlung von Ichbezogenheit zu mitfühlender Liebe. Das Besondere im Erzählstil besteht darin, dass ihre Geschichte nicht ausführlich erzählt wird, sondern nur die wichtigsten Episoden. Das aber genügt, um zu begreifen, warum Meggy nun der Mensch mit großem Herzen ist. Das ändert allerdings nichts daran, dass sie eine selbstbewusste Frau ist, die gern die Fäden in der Hand hat.

Sehr viel Raum nehmen im Buch die Emotionen der Protagonisten ein. Trauer und Verzweiflung, Freude über kleine Erfolge und sanfte Zuneigung werden in treffenden Bildern gezeichnet. Auch dies möge ein Zitat unterstreichen:

 

„...Freude tanzte mit Begeisterung umher, wirbelte Sehnsucht auf und fiel dann zusammen, als habe jemand das Fenster geschlossen, durch das die tobenden Emotionen hereingeweht waren....“

 

Die fein ausgearbeiteten Gespräche ermöglichen mir als Leser nicht nur einen Blick in die Vergangenheit der Protagonisten, sondern auch in ihr gegenwärtiges Seelenleben. Nichts bleibt an der Oberfläche. Es geht in die Tiefe.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Auf unnachahmliche Weise legt die Autorin den Finger in eine der wesentlichen Wunden unserer Zeit. Ich könnte hier eine Reihe von Zitaten ergänzen, möchte es aber bei Filomenas Worten belassen, die fast am Ende der Geschichte stehen:

 

„...Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann, dass wir wieder neu lernen, achtsam miteinander umzugehen. Das wir Fragen stellen und Antworten geben, uns Zeit für Erklärungen lassen und es wagen, uns selbst zu erklären. Ich würde mir für das Zusammenleben in unserer Welt mehr Geduld, Verständnis, Mitgefühl und verschenkter Liebe wünschen...“