Rezension

Eine interessante, aber etwas vorhersehbare Geschichte

Für einen Sommer und immer - Julie Leuze

Für einen Sommer und immer
von Julie Leuze

Ist euch schon mal aufgefallen, dass man sich oft mit demselben Typ Mensch umgibt? Anfangs stimmt die Chemie und man meint, einen wunderbaren Menschen gefunden zu haben. Dass einem aber genau dieser Mensch überhaupt nicht gut tut bemerkt man erst wenn es fast schon zu spät ist, oder nie. 
Annika, die literarische Hauptfigur aus „Für einen Sommer und immer“ ergeht es ähnlich. Schon seit frühester Kindheit erlernte sie, welche Eigenschaften - laut ihren Eltern -, an einem Menschen wertvoll sind und was sie tun müsse, um eine ebenso wertvolle und erfolgreiche Persönlichkeit zu werden. Genau so wurden Annikas Ansprüche an sich und ihr Umfeld geformt und haben sie zu dem Menschen gemacht, der sie heute ist: eine knallharte, erfolgreiche anspruchsvolle und kühle Karrierefrau.

„Ich hatte nie eigene Träume, eigene Leidenschaften, etwas, das nur ich selbst wollte. Eigentlich waren es stets die Ziele anderer, für die ich mich ins Zeug gelegt habe …“ Seite 90

Im Leben eines jeden Menschen gibt es immer Ereignisse, die einen aus der Bahn werfen und die einem zwangsläufig über den Sinn des Lebens grübeln lassen. Nach schicksalshaften Ereignissen findet sich Annika genau an diesem Punkt wieder. Konfrontiert mit der fast verdrängten Vergangenheit, einer uneingestandenen Schuld und einer aufkeimenden Angst vor der Zukunft, bricht Annika fluchtartig zu einem längst überfälligen Urlaub in die Südtiroler Dolomiten auf. Doch wirklich entspannen kann sie in ihrem noblen Hotel nicht. Annika beschließt, sich beim Wandern durch die Berge auszupowern und den Kopf freizubekommen. Ihr gemieteter Bergführer Samuel entwickelt sich während der gemeinsamen Ausflüge zu einem wichtigen Menschen, der sie für die wichtigen Dinge im Leben sensibilisiert.

Die angespannte und kontrollierte Karrierefrau Annika wäre keine Person, mit der ich mich privat gerne umgeben möchte. Umso interessanter war es für mich zu sehen, wie diese nach und nach, ihre kühle Fassade zum Einsturz bringt und sich fremden gegenüber öffnet und plötzlich richtig liebenswerte Eigenschaften zutage fördert. Ihr wird nach und nach klar, dass sie in all den Jahren vergessen hat, wie man wirklich lebt und mit allen Sinnen genießt. Annikas Einsicht hat auch mich wieder daran erinnert, einfach mal wieder etwas Gutes für mich zu tun.

Julie Leuze ist als Autorin kein unbeschriebenes Blatt für mich, denn ich durfte schon zwei wunderschöne Jugendbücher aus ihrer Feder lesen. „Für einen Sommer und immer“ war mein erster Roman dieser Autorin für Erwachsene, der mir viele schöne, aber auch weniger schöne Lesemomente beschert hat. Die schönen waren von einem bildgewaltigen Schreibstil dominiert, der in mir eine unbeschreibliche Urlaubslust entfacht hat, oder Szenen, in denen Annikas wahre Persönlichkeit durchschimmert. Die weniger schönen Momente wurden durch eine zu vorhersehbare Handlung geprägt, durch die zum Beispiel die sich entwickelnde Liebesgeschichte etwas zu platt wirkte und die Emotionen an dem Buchdeckel abprallten.

Julie Leuze hat mit Annika einen wirklich interessanten und vielschichtigen Charakter für ihren Roman „Für einen Sommer und immer“ geschaffen. Leuze lässt ihre literarische Hauptfigur, über viele Brennpunkte und Begebenheiten aus ihrem Leben, in der Ich-Form, berichten. Dadurch wirken viele Szenen und Emotionen greifbar und man findet als Leser schnell in die verschiedensten Situationen ein. Annikas Leben, das durch dramatische Ereignisse vor einem Umbruch steht, bietet viele interessante und eindringliche Themen, die die Autorin authentisch und feinfühlig ausgearbeitet und mit der Handlung verwoben hat. Jedoch störten mich ein wenig, dass Annikas Umdenken und die damit einhergehenden Veränderungen viel zu schnell vonstatten gingen. Sie fiel auch selten in ihre gewohnten Verhaltensmuster zurück. All das wirkte nicht authentisch, denn ein Charakter, der über Jahrzehnte geformt und gefestigt wurde, verändert sich nicht binnen weniger Tage.

„Für einen Sommer und immer“ von Julie Leuze hat mich gerade wegen der etwas vorhersehbaren Handlung ein wenig zwiegespalten zurückgelassen. Trotzdem bin ich froh, dass ich Annika während des Umbruchs in ihrem Leben begleiten durfte, denn sie hat mich lange beschäftigt und mich daran erinnert, was wichtig im Leben ist.