Rezension

Eine Schatzsuche der besonderen Art

Montecrypto -

Montecrypto
von Tom Hillenbrand

Bewertet mit 5 Sternen

Ein atmosphärisch starker, gut recherchierter und rasanter Detektivroman, der sich inhaltlich als auch sprachlich von der Masse abhebt.

"Dante holt seine Sachen aus dem Kofferraum. Vor der Haustür stellt er sie ab, kramt seinen Schlüssel hervor. Sam Spade brächte jetzt die Achtunddreißiger Detective Special in Anschlag und pirschte sich durchs Haus, auf der Suche nach Fieslingen. (…) Doch Dante besitzt keine Detective Special und auch nicht den Schneid, so eine Waffe einzusetzen. Also betritt er sein Domizil auf gänzlich undramatische Weise, bleibt auf der Schwelle stehen. Er prüft, ob ihm etwas ungewöhnlich erscheint. Doch es sieht alles genauso unerfreulich aus wie immer." - Monte Crypto, Seite 171

Herzlichen Dank an Lovelybooks und den Verlag Kiepenheuer & Witsch für die Möglichkeit der Teilnahme an einer wirklich schönen und unterhaltsamen Leserunde und für das Rezensionsexemplar.

Der Inhalt in eigenen Worten

Der Privatdetektiv Ed Dante, früher ein hohes Tier in der Börsenwelt, hat sich auf Ermittlungen in Finanzfragen spezialisiert. Als er von der Schwester des tödlich verunglückten Start-up-Unternehmers und Multimillionärs Gregory Hollister engagiert wird, um dessen heimliche Geldanlagen in Kryptowährungen zu finden, beginnt eine rasante Schnitzeljagd nach dem digitalen Schatz.

Mein Leseerlebnis

Aufmerksam geworden bin ich auf den Roman, weil ich gerne futuristische Thriller lese, die sich mit der Weiterentwicklung oder möglichen Szenarien aktueller Technologien auseinandersetzen. Obwohl ich mich mit dem Finanzwesen im Allgemeinen und mit Kryptowährungen im Speziellen gar nicht auskenne, hatte ich die Hoffnung, dass es dem Autor gelingen wird, dieses Thema verständlich darzustellen. Tom Hillenbrand hat mich in dieser Hinsicht völlig überzeugt und mit einer Leichtigkeit sowie Humor in die verrückte Welt der digitalen Währungen entführt.

Der Protagonist Ed Dante ist ein sehr spezieller Typ, der nicht auf Anhieb sympathisch wirkt und durch seine harsche Ausdrucksweise, seine sexistischen Gedanken und seine Alkoholsucht polarisiert. Da ich Protagonist*innen mit Ecken und Kanten sehr gerne mag, konnte ich Dante sehr schnell etwas abgewinnen und habe ihn mit der Zeit sogar ins Herz geschlossen. Dantes Sidekick, die Hackerin und Bloggerin Mercy Moreno, bildet als starke Frau einen weiblichen Gegenpol und bringt wichtiges Insiderwissen zur Szene mit. Ein ungleiches, aber unterhaltsames Ermittlerduo.

Die Geschichte wird über große Teile des Buches temporeich, fast atemlos, erzählt. Neben der recht klassischen Ermittlungsarbeit Dantes, die ihn in mehrere Länder führt, erfolgt parallel eine digitale, globale Schatzsuche unter den Kryptofreaks und anderen Nerds, die Dante teilweise voraus sind und das Tempo in die Höhe treiben. Dabei bleiben harte Actionszenen, brutale Gewaltexzesse oder beklemmende Situationen überwiegend aus. Im Vordergrund steht eine Detektivgeschichte in einem völlig verrückten Milieu, mit Anleihen zu Sci-Fi, Computernerds, Table-Top-Spielen und Cosplay. Auch wenn ich mich mit den meisten dieser Themen nur sehr oberflächlich auskenne, habe ich einige Wortwitze und Verweise sehr genossen. Hillenbrand dringt recht tief in die Materie der Kryprowährungen und des Finanzwesens ein und liefert zahlreiche Erklärungen. Es ist nicht notwendig, alles in Gänze zu durchdringen oder sich alles zu merken. Leser*innen sollten aber durchaus ein Interesse für die Thematik aufbringen, da das Lesen des Buches ansonsten anstrengend werden kann. Die Schauplätze sind sehr gut gewählt und meisterhaft beschrieben. Ich kann mir eine Verfilmung nach Hollywoodmanier sehr gut vorstellen und würde liebend gerne ins Kino kommen.

Tom Hillebrands Schreibstil ist etwas Besonderes. Der Text strotzt von Ironie und wirkt an vielen Stellen fast flapsig. Zudem werden viele Szeneausdrücke bzw. Jugendsprache verwendet, die im Gesamtkontext für mich immer verständlich waren, über die ich im Lesefluss aber gestolpert bin. Auch werden viele Flüche und Kraftausdrücke verwendet. Für mich erhöht dieser Stil die Authentizität der Protagonist*innen und trägt zu einem ganz besonderen Flair bei, den ich beim Lesen des Buches immer wieder genossen habe.

Auch die Gestaltung des Buches möchte ich loben. Das Cover ist relativ schlicht, aber sehr edel gestaltet. Die Codes und der Kreis, womöglich eine angedeutete Münze, glänzen golden vor dem schwarzen Hintergrund. Der Einband fühlt sich sehr gut an und es macht Freude, dieses Buch in die Hand zu nehmen. Für eine Neuauflage würde ich mir als kleinen Gag wünschen, dass sich im Innenteil des Covers Rezepte von Dantes Lieblingscocktails finden, die, natürlich in Maßen, ein schöner Begleiter für besondere Lesestunden in sunny California wären.

 

Fazit ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️ 

 

MONTE CRYPTO ist ein atmosphärisch starker, gut recherchierter und rasanter Detektivroman. Tom Hillenbrand hat ein spannendes Buch, rund um ein komplexes und recht unbekanntes Thema, geschrieben, das sich sowohl inhaltlich als auch sprachlich von der Masse der Kriminal- und Thrillergeschichten abhebt. Für mich war dieses unterhaltsame Buch wohltuend anders und besonders. Ich empfehle es allen Fans von Michael Crichton, die sich nicht von derber Sprache abschrecken lassen und offen sind für einen Ausflug in die Finanzwelt.